Dagmar Henn: Nazis, NATO und die Farbrevolutionen

übernommen von Dagmar Henn von

Dieser Text ist die Übersetzung einer Broschüre, die das Moskauer Institut für aussenpolitische Forschung und Initiativen bereits im November 2008 verlegt hat. Damals diente dieser Text wohl vor allem der Benennung der Hintergründe für den Angriff auf Süd-Ossetien. Wie wir alle wissen, hat sich das Spiel mittlerweile weitergedreht und die Farbrevolutionen haben sich wie eine ansteckende Krankheit weiter verbreitet. Auffällig ist dabei, dass der Kern in jedem bisherigen Fall der selbe bleibt und eine erschreckende Verbindung zu Strängen deutscher Aussenpolitik bis 1945 aufweist.

Weil es sich dabei um eine ziemlich gute Darstellung der historischen Hintergründe der Farbrevolutionen handelt, und insbesondere die Verbindungen zwischen deutschen Nazis, ihren Plänen und der NATO dargestellt werden, haben wir beschlossen, ihn auf Deutsch zugänglich zu machen.

Zusatzbemerkung 2017: Nach Lektüre einer der Hauptquellen dieses Textes, des Buches „Blowback“ von Christopher Simpson, sowie einiger weiterer Texte über die Verbindungen Nazis/Nato muss ich feststellen, dass diese Broschüre eher unter- als übertreibt. D.H.

Einleitung

Am achten August 200 wurde in Südossetien das erste mal seit dem Afghanistankrieg unter Mitwirkung der Vereinigten Staaten das Blut russischer Soldaten und Zivilisten vergossen. Die amerikanische Verstrickung in diese Angelegenheit war offensichtlich: im Gegensatz zu den in Lumpen gekleideten afghanischen Mujahedeen trugen die georgischen Soldaten neueste ‚digitale‘ amerikanische Uniformen – das Tarnmuster darauf wurde aus Pixeln gebildet. Die US-Marines hatten diesen Uniformtyp erst Ende 2004 eingeführt. Bilder der führenden Fernsehanstalten der Welt zeichneten ein mitfühlendes Bild eines Stellvertreterkriegs zwischen Russland und den Vereinigten Staaten.

Selbst während des Kalten Krieges waren die Seiten sorgsam darauf bedacht, einen bewaffneten Konflikt zu vermeiden. Wie kam es dann zum Krieg in Südossetien, unter den jetzigen Bedingungen, in denen, trotz aller angespannten Rhetorik, die Beziehungen zwischen Russland und Amerika noch weit von einem offenen Konflikt entfernt sind?

Der französische Dokumentarfilm „États-Unis – À la conquete de l´Est“ („Die Vereinigten Staaten – die Eroberung des Ostens“, von Manon Loizeau, Produktion Marc Berdugo, CAPA & Canal+, Frankreich 2005) zeigen einen beeindruckenden Vorfall. Bei einem offiziellen Empfang in der georgischen Hauptstadt war der erste Mensch, dessen Hände Präsident Saakaschwili schüttelte, Bruce Jackson. Sein Name erscheint nicht auf den offiziellen protokollarischen Listen. Zwanzig Jahre lang hatte Jackson als Nachrichtenoffizier in der US-Armee gedient, und 1996 gründete er das US-Kommittee für die Erweiterung der NATO. Das Motto des Kommittees ist militärisch knapp und auf den Punkt gebracht: „Amerika stärken. Europa sichern. Werte verteidigen. NATO erweitern.“ Jackson ist am einfachsten dort zu finden, wo eine Farbrevolution vorbereitet wird – oder wo die Gewinne einer solchen eingefahren werden.

Michail Saakaschwili sagte in die Kameras:“ Die Notwendigkeit, dass die russischen Soldaten ihren Stützpunkt in Georgien verlassen, ist offensichtlich. Es muss jedoch auf zivilisierte Art geschehen. Wir wollen sie nicht davonjagen. Schauen Sie, die Syrer haben den Libanon in drei Wochen verlassen, obwohl es vier Mal so viele von ihnen gab, wie Russen in Südossetien sind.“

Bruce Jackson, der direkt hinter Saakaschwili stand, hörte aufmerksam zu. Saakaschwili wandte sich zu ihm um, mit einem verlegenen Lächeln, schaute etwas verwirrt und sagte:

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, Herr Präsident, bitte fahren Sie fort. Es ist alles in Ordnung,“ antwortete Jackson.

Bruce Jackson und Saakaschwili bei Empfang in Tiflis
Bruce Jackson und Präsident Saakaschwili bei einem Empfang in Tiflis. Standbild aus dem Dokumentarfilm „Revolution.com.USA. The conqest of the East“

Neben den Vereinigten Staaten hatte Georgien im Ossetien-Konflikt einen weiteren aktiven Verbündeten gegen Russland: den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Seit seiner Wahl im Jahr 2004 hatte Juschtschenko Saakaschwili mit Panzern, Hubschraubern und Artilleriesystemen versorgt. Im Laufe der Zeit wurde immer mehr Wert auf Offensivwaffen gelegt: modulare Schkwal-Systeme, Granatwerfer, Kanonen und Maschinengewehre. In Vorwegnahme des Augustangriffs schickte Juschtschenko nicht nur überzählige Waffen nach Georgien; er nahm Waffensysteme aus allen Einheiten: insgesamt gab die Ukraine Georgien 7 Batallione mit BUK-M1 Luftabwehrsystemen – die Hälfte des ukrainischen Arsenals. Juschtschenko verkaufte die Waffen an Georgien für ein Drittel bis einem Siebtel des üblichen Preises. Dies wurde durch einen Untersuchungsausschuss der Werchowna Rada unter Vorsitz des Abgeordneten Valery Konovalyuk festgestellt, der sich mit diesen Waffenlieferungen befasste. Konovalyuk hatte persönlich das große ukrainische Waffenlager bei der Station Losowaja besucht, wo Ende August ein Brand militärisches Eigentum zerstört hatte. Nach Konovalyuk wurden die Lager niedergebrannt, um die Spuren der Lieferungen zu verschleiern.

Saakaschwili und Juschtschenko
Saakaschwili und Juschtschenko: Verbündete im Kampf für amerikanische Demokratie /Reuters

Bruce Jackson verliess diesen Empfang zusammen mit Giga Bokeriya, seinem langjährigen Schützling und dem Anführer der ukrainischen Rosenrevolution. Im Verlauf des Films taucht Bokeriya an einer Reihe unterschiedlicher Orte mit einer großen Auswahl von Personen auf. Man sieht ihn auf einem Empfang in Washington für die Anführer von Farbrevolutionen aus ganz Osteuropa und der GUS, die sich in der Hoffnung auf eine Audienz bei Präsident Busch versammelten – sie machten Pläne für Kuba, mit ihrem serbischen Gegenstück Ivan Marovic. Und hier ist er in Tiflis und empfängt den weissrussischen Oppositionsführer Anatoli Lebedko, der wegen einiger Ratschläge und Tops gekommen ist. Und wer ist noch gerade in Tiflis – Präsident Bush. Bokeriya diskutiert mit Lbedko, ob es in der weissrussischen Regierung Leute gibt, mit denen man arbeiten könne, ob er Flugblätter im Land verteilen solle, und wie die Lage mit dem „Geber“ steht – worauf Lebedko antwortet, der US-Kongress habe beschlossen, Mittel zur Verfügung zu stellen, aber der Prozess sei im Augenblick unterbrochen. Dann taucht Bokeriya im Washingtoner Büro von Bruce Jackson auf und gratuliert ihm zur Räumung des russischen Militärstützpunkts in Georgien (die zehn Tage nach Bushs Besuch in Georgien stattfand); Jackson antwortet, die Leute in Washington seien von Bokeriyas Arbeit angetan. In Jacksons Büro sind zwei Studenten aus Russland, Mitglieder von Oppositionsgruppen – sie sind sehr aufgeregt, weil sie die Möglichkeit haben, Bokeriya „persönlich“ zu treffen, für sie ist er eine revolutionäre Ikone. Bokeriya teilt aktiv die Erfahrung, so wie er selbst sie von serbischen „Revolutionären“ erhielt.

Bokerija im Büro von Bruce Jackson

Bokeriya überreicht Bruce Jackson in dessen Washingtoner Büro ein T-Shirt mit dem Symbol der georgischen Revolution – die selbe geballte schwarze Faust, die erstmals von Otpor! in Serbien benutzt wurde und davor vom Antibolschewistischen Block der Nationen. Standbild aus dem Dokumentarfilm „Revolution.com.USA. The conquest of the East.“

Nach der Rosenrevolution wurde Bokeriya Berater von Präsident Saakaschwili. Am 7. April 2008, als die Vorbereitung für den Angriff auf Südossetien und Abchasien Schwung aufnahmen, wurde er zum stellvertretenden Aussenminister Georgiens ernannt. Jetzt wird kein einziger westlicher Artikel zum Thema Russland und Georgien mehr veröffentlicht ohne ein Zitat von Bokeriya. Als Reaktion auf die Erkenntnisse der OSZE-Komission, die am 6. November 2008 veröffentlicht wurden und bestätigten, dass der Konflikt von Georgien begonnen wurde, das die Leben seiner eigenen Bürger, der russischen Friedenstruppen und unbewaffneter Beobachter aufs Spiel gesetzt hätte, sagte Bokeriya der New York Times: „ Diese Information, ich weiss nicht, was sie ist und wie sie bestätigt wird. Es gibt einen solchen Berg an Beweisen, was die fortgesetzten Angriffe gegen georgische Dörfer betrifft, und die russische Aufrüstung, dass das in jedem Fall das Gesamtbild nicht ändert.“

Georgien und die Ukraine sind die erfolgreichsten Beispiele der Farbrevolutionen. Die Aufgabe, die die Organisatoren ihnen gestellt haben, und die weiter unten behandelt werden wird, wurde völlig erfüllt: in Amerika ausgebildete Leute sind an die Macht gekommen, und sie sind bereit, in die offene Konfrontation mit Russland zu gehen, sollte das im Interesse der Vereinigten Staaten liegen. Die Unabhängigkeit, die die Sowjetrepubliken im Jahr 1991 rlangt haben, war, natürlich, ein großer Sieg für die Vereinigten Staaten und den Westen insgesamt. Aber die sowjetischen Führer, die die ersten Präsidenten der unabhängigen Staaten wurden, waren nicht ganz nach amerikanischem Geschmack: trotz all ihrer Flirts mit den Vereinigten Staaten waren Eduard Schewardnadse und Leonid Kutschma nicht radikal genug, und nicht bereit, Russland anzugreifen.

Die Farbrevolutionen haben Russland herausgefordert, aber diese Herausforderung war keineswegs neu.

Erster Teil. Ukraine

Kapitel 1

Katherine Tschumatschenko – ungezwungen mit US-Präsidenten, ukrainischen Nazis und Faschisten aus der ganzen Welt

Auf einer Schwarz-Weiss-Fotografie aus dem Jahr 1983 steht eine junge Blondine bequem hinter zwei Stühlen, auf die sie die Hände legt, und auf den Stühlen sitzen zwei in Amerika recht bekannte Personen. Links ist Botschafterin Jeanne Kirkpatrick (1926-2006), eine Demokratin, die zur radikalen Republikanerin wurde, aussenpolitische Beraterin von Präsident Reagon, eine eifrige Antikommunistin und die erste weibliche UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten. Frau Kirkpatrick hatte ihr Leben der Doktrin gewidmet, die ihren Namen trägt; sie befürwortete die US-Unterstützung sämtlicher antikommunistischer Regierungen weltweit, Diktaturen eingeschlossen, sofern sie amerikanischen Zielen dienen – gänzlich ohne jede Ironie erklärte die Doktrin, dass das amerikanische Beispiel sie in Demokratien verwandeln würde.

Auf der rechten Seite sitzt Jaroslaw Stezko (1912-1986), Vorsitzender des Antibolschewistischen Blocks der Nationen und der Organisation ukrainischer Nationalisten, OUN-B. 1983 unternahm er eine lange Reise. Als erster Stellvertreter Stefan Banderas in der OUN-B berichtete Stezko am 25. Juni 1941 in einem Brief an den Kommandeur Folgendes: „Wir schaffen eine Miliz, die helfen wird, die Juden zu entfernen“ – die Ukrainische Aufstandsarmee, oder UPA. Gemeinsam mit Theodor Oberländer, einem Verbindungsoffizier der Abwehr zu den ukrainischen Hilfstruppen, führte Stezko das Batallion Nachtigall bei seinem Angriff auf Lwow. Am 30. Juni um acht Uhr abends, also am Ende des zehnten Tages von Hitlers Angriff auf die Sowjetunion, verkündete Stezko „im Namen des ukrainischen Volkes und der Organisation ukrainischer Nationalisten unter der Führung von Stefan Bandera“ die „Verkündung des Ukrainischen Staates“ und ernannte sich selbst zum Premierminister der „ukrainischen Regierung“. Und das ist nur der Teil seiner Aktivitäten, der öffentlich ist.

Die Fotografie wurde auf einem Treffen des Komittees der Gefangenen Nationen gemacht, das die Führer antisowjetischer Organisationen aus der ganzen Welt zusammenbrachte.

Die attraktive Blondine, die zwischen Kirkpatrick und Stezko steht, war Katherina Tschumatschenko. Kurz nach ihrem Abschluss an der Georgetown University im Juni 1982 nahm sie ihre erste Arbeit in der Führung des ukrainischen nationalen Informationsdienstes auf, einer Propagandaorganisation des ukrainischen Kongresskomittees von Amerika. Tschumatschenko begann ihre steile politische Karriere also in em geheimsten Winkel der amerikanischen Regierung, eine Karriere, die sie später auf die Position der First Lady der Ukraine befördern sollte.

Jeanne Kirkpatrik und Jaroslaw Stetsko

Vorne: Jeane Kirkpatrick, US-Botschafterin bei der UN, und Jarosaw Stetsko; stehend hinter ihnen Katherina Tschumatschenko. Man beachte die Faust im Hintergrund…

Katherine Tschumatschenko mit Ehemann
Katherina Tschumatschenko mit ihrem Ehemann Viktor Juschtschenko und George und Laura Bush im Weißen Haus am 4. April 2005

In einem Artikel über die Präsidentenwahl 2004 nannte das Wall Street Journal Katherina Juschtschenko „eine nüchterne und sensible Geschäftsfrau, die in Amerika aufgewachsen ist“. Die Zeitung schrieb weiter: „Es ist die starke Bindung zu seiner Frau, die Herrn Juschtschenko geholfen hat, den harten Wahlkampf durchzustehen, und es wird vermutlich seine Beziehung zu ihr sein, die im zu einer erfolgreichen Präsidentschaft verhelfen wird.“ Wenn der Autor des Artikels die wahre Geschichte von Frau Tschumatschenko gekannt hätte, war das eine einzigartige öffentliche Enthüllung. Falls nicht – dann war es ein einmaliger Treffer ins Schwarze voller Ironie.

Wer ist eigentlich Katherina Tschumatschenko-Juschtschenko?

Katherina Tschumatschenko wurde am 1. September 1961 in einer Familie ukrainischer Emigranten in Chicago geboren: Vater Mikhailo (1917-1998), Mutter Sofia (* 1927). 1981 erhielt sie einen Bachelor in internationaler Wirtschaft an der Schule des diplomatischen Dienstes an der Georgetown University – dort lehrte Professor Jeane Kirkpatrick, und Paula Dobriansky war dort ebenfalls Studentin.

Der ukrainische nationale Informationsdiesnt, dessen Direktor Katherina Tschumatschenko wurde, wurde 1976 in Washington gegründet, um „die Arbeit des ukrainischen Kongresskomittees von Amerika zu stärken, in Hinsicht auf Kontakte und Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Gemeinde und amerikanischen Regierungskreisen.“ Das ukrainische Kongresskomitteee von Amerika (UCCA), vor dem Krieg 1940 gegründet, nennt als sein Ziel „eine ukrainische Vertretungsorganisation zu schaffen, um ukrainische Interessen in den Vereinigten Staaten zu fördern und im Kampf um die Unabhängigkeit der ukrainischen Nation zu unterstützen“. Lew Dobrianski, ehemaliger US-Botschafter und einer der Hauptlobbyisten für ein Gesetz zu den „gefangenen Nationen“, diente als Vorsitzender der UCCA. Tschumatschenko war gut mit seiner Tochter Paula Dobrianski bekannt und arbeitete eng mit ihr zusammen. Zwischen 1981 und 1987 stieg Frau Dobriansky von der Stellung einer Angestellten der Abteilung des Nationalen Sicherheitsrats für die UdSSR und Osteuropa zu ihrer Leiterin auf.

Nach dem UCCA-Bericht waren insbesondere die Bemühungen von Katherina Tschumatschenko, die Arbeit des Büros für Sonderermittlungen zu behindern, besonders erfolgreich, das 1979 errichtet wurde, um ehemalige Nazis in Amerika aufzuspüren. Am 18. November 1982 veröffentlichte die Washington Post einen Brief von Tschumatschenko, in dem sie „scharf die Vorwürfe zurückwies, die Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN) habe mit den Nazis zusammengearbeitet.“

1983 wurde Tschumatschenko geschäftsführende Direktorin des Nationalen (amerikanischen) Komitee der gefangenen Nationen (NCNC). Unter anderen Aktivitäten hielt dieses Komitee eine „Woche der gefangenen Nationen“ ab, und am 18. und 19. Juli 1983 beging es sein 25-jähriges Jubiläum. Dieses zog „Funktionäre, Abgeordnete, Botschafter und Gäste aus der ganzen Welt“ an. Nach dem Bericht der UCCA wurde dieses Ereignis von „Präsident Reagan, Vizepräsident Bush und der UN-Botschafterin Jeane Kirkpatrick, die vehement die Unterdrückung der Nationen durch die Kommunisten verurteilte“, persönlich aufgesucht. Jaroslaw Stezko, der Präsident des Antibolschewistischen Blocks der Nationen, und Richard Allen, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, waren ebenfalls anwesend.

John Singlaub (mehr zu ihm später) leitete das Organisationskomittee der Konferenz zur Woche der gefangenen Nationen. „Katherina Tschumatschenko, geschäftsführende Direktorin des NCNC und Direktorin des ukrainischen nationalen Informationsdienstes“ – so der Bericht weiter – „war die Hauptkoordinatorin der vier Ereignisse: der Zeremonie im Weißen Haus, des offiziellen Abendessens des Kongresses, der Plenarsitzung und des Banketts“.

Die 17. Konferenz der Antikommunistischen Weltliga (WACL) wurde vom 20.-23. September des gleichen Jahres in Luxemburg abgehalten. Eine Reihe Bücher wurden über die WACL geschrieben. Der Titel eines davon, geschrieben von den amerikanischen investigativen Journalisten Scott Anderson und John Lee Anderson, gibt einen guten Überblick über die Zusammensetzung und die Aktivitäten dieser Organisationen: „Innerhalb der Liga: die schockierende Erfahrung, wie Terroristen, Nazis und lateinamerikanische Todesschwadronen die Antikommunistische Weltliga infiltriert haben“. Das ehemalige Liga-Mitglied Geoffrey Stewart-Smith beschreibt sie als „vor allem eine Ansammlung von Nazis, Faschisten, Antisemiten, Verbreitern von Lügen, brutalen Rassisten und korrupten Karrieristen.“

Vertreter von 70 Ländern und zehn internationalen Organisationen nahmen an dieser Konferenz teil, darunter die Folgenden:

Prof. Dr. Theodor Oberländer, aus Deutschland – er ist ein ehemaliger Abwehr-Offizier, verantwortlich für die Kontakte zu den ukrainischen SS-Einheiten

Nachrichtendienst-Generalmajor John Singlaub, ein Offizier des Büros für Strategische Dienste (OSS), des Vorläufers der CIA, einer der Gründer der CIA, Mitbegründer des privaten nachrichtdienstlichen und Analysenetzwerks Western Goals Foundation, mit vierzig Jahren Erfahrung in klandestinen Einsätzen rund um die Welt, vor allem in Zentral- und Südamerika

Generalleutnant Daniel Graham, ehemals stellvertretender Direktor der CIA, ehemaliger Direktor des militärischen Nachrichtendienstes DIA und einer der Hauptarchitekten von Star Wars

Die Antibolschewistische Liga der Nationen wurde durch ihren Präsidenten Jaroslaw Stezko vertreten, und seine Frau und Stellvertreterin bei der ABN. Dieses bemerkenswerte Paar wird noch gesondert erwähnt werden.

Und die 22-jährige Katherina Tschumatschenko. Sie vertrat das US National Nations Committee (USNCNC)

stetsko oberländer
Katherina Tschumatschenko in einem Vorbereitungskomittee mit Theodor Oberländer und Jaroslaw Stetsko

Halten wir hier einen Augenblick inne. Wie kam eine junge Ukrainerin dazu, ein Treffen von Nazis zu besuchen, die den Nürnberger Prozessen entronnen waren, Anführern nationalistischer Bewegungen, die in SS-Einheiten gedient hatte, und amerikanischen Geheimdienstgenerälen, die Todesschwadronen geschaffen hatten? Wie kann es sein, dass eine 21-Jährige, die gerade die Universität abgeschlossen hat, sofort die Leiterin mehrerer wichtiger Organisationen in dem Netzwerk ukrainischer Nationalisten wird, als Koordinatorin ukrainischer Termine des amerikanischen Weißen Hauses und des Kongresses fungiert, und sich in der Gesellschaft des amerikanischen Präsidenten, des Vizepräsidenten und der UN-Botschafterin so wohl fühlt?

Wie hat sie in so jugendlichem Alter einen solch hochrangigen Zugang in ein solch geheimes Milieu erhalten? Warum wurde ihr derart vertraut? Es ist offensichtlich, dass während Tschumatschenkos Jugend und Studienzeit einige Ereignisse stattfanden, die ihr den Zugang zu den höchsten Rängen der amerikanischen Regierung verschafften und durch die sie ihr tiefstes Vertrauen errang. Vorwürfe, dass Tschumatschenko Verbindungen zu amerikanischen Interessen und amerikanischen Diensten hat, sind nicht neu, und bereits ein Klichee: es gibt eine Menge solcher Leute. Tschumatschenkos Fall ist aber ein ganz anderes Kaliber. Sie spielt in einer anderen Gewichtsklasse, einer besonderen Klasse, in der sie sich als einzige unter den ukrainischen Verbündeten der Vereinigten Staaten befindet.

Es gibt einen moralischen Aspekt bei dieser Geschichte. Die „Division Galizien“, deren voller Name „14. Waffen-Grenadier-Division der SS (1. ukrainische Division) lautet, die von der Abwehr organisiert wurde, um die ethnischen Säuberungen von Polen und Juden in der Ukraine durchzuführen, verrichtete die schmutzigste Arbeit für die Gestapo, wie die Hinrichtung von Kindern. Für einen Menschen, besonders einen jungen Menschen, der zumindest einige Berichte über die Exzesse der ukrainischen Gestapo-Kollaborateure gelesen hat – und Tschumatschenko hat sie gelesen und einen Artikel zu ihrer Widerlegung geschrieben – ist es psychologisch und moralisch schwierig, bewusst die Tatsachen zu leugnen, jeden Tag an der Seite von Faschisten zu arbeiten und mit Überzeugung für ihre Ziele zu arbeiten. Damit sie sich in dieser Art Arbeitsumgebung wohl fühlen konnte, musste sie dazu gehören, eine besondere Art Erziehung erhalten haben, eine frühe und tiefe Initiation in den Faschismus.

In den nächsten zwei Jahren, von 1984 bis 1986, erhielt Tschumatschenko einen MBA in Chicago, während sie ein Praktikum in der Handelskammer von Illinois hatte und als Herausgeberin am Washingtoner Zentrum für Ethik und öffentliche Politik arbeitete (wie das? Weil das Internet zu dieser Zeit nicht existierte).

Unmittelbar nach Abschluss ihrer Ausbildung im September 1986 arbeitete sie von 1987 bis 1990 als besondere Assistentin für den stellvertretenden Staatssekretär für Menschrechte und humanitäre Fragen, Paula Dobrianski. Präsident Reagan hatte diesen Posten als Antwort auf die scharfe Kritik an den Vereinigten Staaten wegen des Iran-Contra-Skandals, und er sollte Besorgnis über Menschenrechte demonstrieren.

Im April 1998 zog Tschumatschenko ins Weiße Haus, wo sie die Stellung des stellvertretenden Direktors des Büros für Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit übernahm. In dieser Stellung begrüssten Tschumatschenko und Paula Dobrianski die Teilnehmer des 15. Kongresses der ukrainischen Amerikaner, der vom 16.-18. September 1988 in Washington abgehalten wurde. Sie hielt das Grußwort Präsident Reagans an die Teilnehmer des Kongresses. Botschafter Lew Dobrianski schloss sich seiner Tochter und ihrer Freundin auf dem Bankett an.

Katherina Tschumatschenko arbeitete bis Januar 1989 im Weißen Haus. Sie hatte für eine kurze Zeit von Januar bis November 1989 eine Stellung im Finanzminsterium, und dann folgte sie, von November 1989 bis Mai 1991, ihrer neuen beruflichen Richtung als Ökonomn für das gemeinsame Wirtschaftskomittee des Kongresses.

Von 1991 bis 1993 finanzierte Tschumatschenko die US-ukrainische Stiftung mit, diente ihr als Vizepräsidentin und leitete das Pylyp Orlyk Institut. Von 1993 bis 2000 arbeitete Tschumatschenko als Länderbeauftragte für KPMG in der Ukraine und als Beraterin beim Ausbildungsprogramm für Bankpersonal, das von der US-Agentur für internationale Entwicklung finanziert wurde.

Die folgenden Ereignisse, die Katherina Tschumatschenko an das unmittelbare Ziel ihrer hervorragenden Ausbildung brachten, sind wohl bekannt: ihre „zufällige“ romantische Begegnung mit Viktor Juschtschenko in einem Flugzeug, und 1998 wurde er ihr Ehemann. Viktor Juschtschenko hat eine eigene Geschichte. Sein Vater gab ineinem Interview einmal zu, er habe erst in einem deutschen Konzentrationslager echten Kaffee getrunken. Was muss er in einem deutschen Konzentrationslager getan haben, um dort den besten Kaffee zu erhalten? Lassen wir Juschtschenkos Natur und seine Erziehung aus diesem Text; es ist klar, dass die Entscheidung der amerikanischen Regierung, ihm die brilliante Studentin Katherina Tschumatschenko zur Ehefrau zu geben, gut ersonnen war.

Im Gefolge der Hochzeit wurde Juschtschenko 1999 Premier der Ukraine. Und 2004 wurde er im Ergebnis der orangenen Revolution der Präsident des Landes.

So kam ein Plan, der während des Großen Vaterländischen Krieges ersonnen, von Generationen durch die Jahrzehnte des Kalten Krieges geduldig durchgeführt und in den 1990ern skrupellos gefördert worden war, 60 Jahre später zu einem erfolgreichen Abschluss. Im Januar 2010 erklärte Juschtschenko in einer seiner letzten Amtshandlungen als Präsident Bandera zum Nationalhelden der Ukraine.

Kapitel 2

Roman Swarytsch wurde der erste US-Bürger in der Geschichte, der seine amerikanische Nationalität gegen eine ukrainische eingetauscht hat. Was war an der Ukraine in diesen Jahren der Verwirrung für einen echten amerikanischen Bürger von Interesse?

Roman Swarytsch wurde 1953 in eine Familie ukrainischer politischer Emigranten geboren, die in Yonkers nahe bei New York lebte. Seine Biografie auf der Seite des ukrainischen Kabinetts erklärt, von 1971 bis 1976 habe er am Manhattan College Sozialwissenschaften studiert. 1976 setzte er seine Studien an der Columbia Universität fort, und „erlangte nach zwei Jahren das Recht zu lehren und an einer Dissertation zu arbeiten“, über Plato. Und nach seinem offiziellen Lebenslauf unterrrichtete er von 1983 bis 1991 politische Theorie, Philosophie, Geschichte und Rechtstheorie an der New York University – ein ziemlich breites Fächerspektrum für einen jungen Lehrer.

1991, das heisst, bei erster Gelegenheit, emigrierte Swarytsch in die Ukraine. Seine erste Tätigkeit in diesem Land, das er nie zuvor besucht hatte, war Direktor des Demos Analyse- und Informationsdienstes des Zentrums für demokratische Reform. Im Mai 1998 wurde Swarytsch zum Abgeordneten der dritten Legislatur der Werchowna Rada gewählt, über die Liste der Volksbewegung der Ukraine (Rukh); er war dort im Ausschuss für Rechtsreform und dem aussenpolitischen Ausschuss. Von Mai 2002 an war er abermals Rada-Abgeordneter, ein Mitglied der Fraktion Unsere Ukraine und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für europäische Integration.

Februar bis September 2005 war Swarytsch Justizminister in der Regierung von Julia Timoschenko. Im März 2006 wurde er ein drittes Mal ins Parlament gewählt, über den Block Unsere Ukraine. Im August 2006 wurde Swarytsch abermals zum Justizminister ernannt, und am 1. November forderte die Werchowna Rada seinen Rücktritt. Schon bald darauf ernannte Viktor Juschtschenko den Ex-Minister zu seinem Vertreter in der Werchowna Rada. Jetzt (2008, A.d.Ü.) ist Swarytsch Abgeordneter für Juschtschenko und ein Mitglied des politischen Rats der Partei Unsere Ukraine Volksunion. Gleichzeitig hält Swarytsch Führungspositionen im Kongress ukrainischer Nationalisten und in der Partei Reform und Ordnung.

Roman Swaritsch

Roman Swarytsch, ehemaliger Justizminister der Ukraine

In Frühjahr 2005 veröffentlichte die ukrainische Prawda einen Artikel, der behauptete, der Minister sei kein Professor an der Columbia University gewesen, hätte keine wissenschaftlichen Aufsätze verfasst und kein Diplom von der Universität erhalten, wie dies in seiner offiziellen Biografie stünde.

Dann gab Roman Swarytsch in einem Interview mit The Ukrainian Weekly zu, er hätte keinen Master oder Doktor von der Columbia University erhalten, noch habe er den Rang eines Professors an der New York University innegehabt. Und unglücklicherweise hatte er auch keine juristische Ausbildung.

Die Columbia University bestätigte, dass Roman Swarytsch von ihr kein Abschlusszeugnis für eine weiterführende Bildung erhalten habe. Noch war es der Zeitschrift möglich, aus dem Manhatten College, an dem er, so Swarytsch, einen Bachelor gemacht hätte, eine Bestätigung zu erhalten. Der Sprecher der New York University, Josh Taylor, erzählte Ukrainian Weekly, dass Swarytsch von 1989 bis 1991 „Teilzeitlehrkraft“ an der Schule für weiterführende und berufliche Bildung gewesen sei, also nicht für acht, sondern nur für zwei Jahre. Abendliche Weiterbildungsklasse zu unterrichten ist ein in New York bei Geschäftsleuten und anderen Nicht-Akademikern recht beliebter Weg, sich mit akademischem Glanz zu schmücken.

Als Grundlage für sein Streben nach der Stellung eines Justizministers eines Landes mit 50 Millionen Einwohnern (sicher keine Bananenrepublik) nannte Swarytsch, er habe sechs Jahre als Abgeordneter im Parlament verbracht, und das gäbe ihm „beträchtliche rechtliche Kenntnisse“.

Wenn man tiefer blickt, wird es jedoch offensichtlich, warum Roman Swarytsch keine Zeit für seine Bildung hatte. Er war zu sehr mit Aktivitäten jenseits des Lehrplans beschäftigt.

Anfang Mai 1981 hatte Roman Swarytsch damit zu tun, die Jugendplenarsitzung beim Kongress des Antibolschewistischen Blocks der Nationen zu eroffnen.

Roman Swaritsch ABN

Roman Swarytsch eröffnet die Jugendsitzung beim Kongress der amerikanischen Förderer des Antibolschewistischen Blocks der Nationen; ABN-Korrespondenz

Im September 1983 nahm Roman Swarytsch an der Konferenz der Antikommunistischen Weltliga in Luxemburg teil, zusammen mit Katherina Tschumatschenko, den Stezkos, Theodor Oberländer, John Singlaub und Daniel Graham.

1984 erklärte Swarytsch einem amerikanischen Korrespondenten: „Gleich, was wir über Reagan denken, dass die Woche der gefangenen Nationen unter Reagans Präsidentschaft abgehalten wurde, ist zumindest ein Hinweis auf einige taktische Veränderungen, die gut für uns waren. .. Vor Reagan sah niemand aus der aussenpolitischen Elite eine Notwendigkeit, mit uns zusammenzutreffen.“

Wenn man noch tiefer blickt, waren diese intensiven Tätigkeiten in antisowjetischen Organisationen nicht das Hauptereignis für Swarytsch. Seine wirklichen Ziele wurden auf einem völlig anderen Nivau weit von der Öffentlichkeit entfernt verfolgt. Und es war keine Kenntnis des Rechts, die Roman Swarytsch das Fundament verschaffte, um auf einem Ministerposten in der Ukraine zu dienen.

Am 28.März 2005 veröffentlichte das Kiewer Büro der BBC ein Interview mit dem Justizminister Roman Swarytsch unter der Überschrift „Der ukrainische Justizminister teilt seine persönliche Geschichte.“ Darin erzählt Swarytsch, wie schwierig es war, in dem „Schmelztiegel“ USA zu leben, weil er „spirituelle Wurzeln“ im Mutterland gehabt hätte, dass er als Taxifahrer in New York gearbeitet habe, dass er einen Vorschlag der CIA, für sie zu arbeiten, als Student abgelehnt habe, und dass das KGB seine spätere Frau unter Beobachtung gehalten hätte. „Ja,“ sagte er, „sein amerikanischer Ursprung sei der Quell vieler Gerüchte, die ihn als Agenten des Weltkapitalismus und der CIA in der Ukraine sähen.“

Der Korrespondent Alexander Artasey fragte den Minister eine unschuldige Frage:

„Wie haben Sie Ihre Frau getroffen? Stammt sie auch aus der ukrainischen Diaspora?“

Swarytsch antwortete:

„Nein, und das ist der zweite Grund, warum ich in die Ukraine kam. Switlana und ich haben uns 1983 in Polen getroffen.“

Dann sagte Swarytsch wirklich erstaunliche Dinge:

„Ich will nicht in die Details gehen, weil viele davon nach wie vor vertraulich sind, nicht persönlich, aber wirklich vertraulich. Die Sache ist, ich hatte schon angefangen, an der Universität zu arbeiten [Anmerkung des Verfassers: 1983 hatte Swarytsch nach seiner offiziellen Biografie angefangen, an der New York University zu unterrichten] und arbeitete in München – das Büro war Zeppelinstrasse 67 – das persönliche Sekretariat des Vorsitzenden der Organisation der ukrainischen Nationalisten, Jaroslaw Stezko. Ich war für seine internationalen Aktivitäten verantwortlich, und das war immer noch eine streng geheime Angelegenheit.“

Artasey:

„Mit anderen Worten, Sie haben Agenten für die Arbeit in der Ukraine präpariert?“

Swarytsch:

„Ich würde sie nicht Agenten nennen. Sie waren eher Leute mit Verbindungen zum Untergrund. In diesem Zusammenhang erteilte mir Jaroslaw Stezko mehrere Spezialaufträge. Einmal, 1983 in Polen, hatte ich bei der Erfüllung dieses Auftrags Kontakt mit einem Kurier aus der Ukraine.“

Und dann machte Swarytsch damit weiter, über eine persönliche Angelegenheit zu reden:

„Dieser Kurier war meine Switlana. Ich kann keine weiteren Details nennen. Sie kommt aus Kiew und hat Wurzeln in der Stadt. Wir haben uns getroffen und einander gut betrachtet. Und 1985 wurde in Kiew… mein Sohn geboren, von dem ich bis 1990 nichts wusste!“

Mit anderen Worten, Roman Swarytsch, der Justizminister der Ukraine werden sollte, war für Jaroslaw Stezkos internationales Agentennetz verantwortlich, das unter der Deckung der Organsation ukrainischer Nationalisten und des Antibolschewistischen Blocks der Nationen operierte.

Von allen ukrainischen Rechtsanwälten auf der Welt erwählten die Vereinigten Staaten den Leiter eines internationalen Agentennetzes ukrainischer Nationalisten für die Stellung des Justizministers der Ukraine.

Kapitel 3

Jaroslaw und Jaroslawa Stezko: treue Verbündete im Kampf gegen Russland und die UdSSR neben Nazis aus aller Welt

Als Jaroslaw Stezko an der 16. Konferenz der Antikommunistischen Weltliga 1983 in Lusemburg teilnahm und eine junge Katherina Tschumatschenko mit ihm und Jeane Kirkpatrick fotografiert wurde, hatte er seinen Auftrag im Kampf gegen Russland bereits erfüllt.

Jaroslaw Stezko (1912, Ternopil – 1986, München) begann seine Karriere gegen Russland in der geheimen Organisation ukrainische nationalistische Jugend. Schon bald schloss er sich der ukrainischen Militärorganisation (UMO) an und der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN), die 1929 gegründet wurde, um für die Unabhängigkeit der Ukraine zu kämpfen. 1939 bereitete Stezko den Kongress der OUN in Rom vor. Zu jener Zeit kam es zu Reibungen zwischen der alten Garde unter Führung von Andrei Melnik und den jungen Radikalen unter Stepan Bandera. Die OUN zerfiel in zwei Teile, OUN-M und OUN-B, nach den Nachnamen ihrer Anführer; und Stezko wurde Banderas Stellvertreter in der OUN-B. Das Bündnis zwischen Stezko und Bandera hielt 19 Jahre, bis zu Banderas Tod 1959.

Bandera und Stezko verdienten ihren Lebensunterhalt teilweise durch Morde an polnischen Beamten, und sie verbrachten dafür einige Zeit in polnischen Gefängnissen. Dort wurden sie von den Nazis entdeckt, die die Operation Barbarossa planten und ukrainische Agenten brauchten, die den Widerstand der Roten Armee untergraben sollten. Die Nazis sahen in den radikalen ukrainischen Nationalisten ideologische Verbündete; ihr fanatischer Rassismus, der Hass auf Juden, Russen und Polen war völlig in Übereinstimmung mit den Überzeugungen des Dritten Reichs. Im November 1939 begannen annähernd 400 ukrainische Nationalisten die Ausbildung in Lagern der Abwehr in Sakopane, Komarno, Kirchendorf und Hakestein.

Die Nazis organisierten ihre ukrainischen Verbündeten in Regimentern. Die „Sondereinheit Nachtigall“, wie sie in Dokumenten der Abwehr genannt wurde, sollte, in Wehrmachtuniformen und unter dem Kommando von Bandera und Stezko, die Vorhut bei der Eroberung der Ukraine werden. Die Einheit Nachtigall erhielt den Auftrag, die Nachhut der sowjetischen Armee anzugreifen und in einen Guerillakrieg zu ziehen. Die OUN-B bildetete auch eine Geheimpolizei, die die Säuberung von Juden, ethnischen Russen und Kommunisten für ihre Nazi-Verbündeten erledigen sollte. Mykola (Nikolai) Lebed, der dritte Mann in der Hierarchie der OUN-B, wurde zum Leiter dieser Geheimpolizei ernannt.

Die investigativen amerikanischen Reporter, die Gebrüder Anderson, untersuchten die Tätigkeiten der osteuropäischen Kollaborateure und ganz besonders die Stezkos im Detail, sowohl während des Krieges als auch danach. „Am 30. Juni 1941 waren die Vorhuteinheiten der Wehrmacht in Lwow eingezogen. Sie umfassten auch die ukrainische Einheit Nachtigall unter dem Kommando des deutschen Offiziers Theodor Oberländer und von Jaroslaw Stezko. Stezko organisierte sofort in einem kleinen Raum eine „Nationalversammlung“. Vom Podium herunter verkündete er die Bildung einer ukrainischen Regierung und ernannte sich selbst zu ihrem Premier.“ Seine Radioansprache begann:

„Die ukrainische Nation wird eng mit dem großen Nazideutschland zusammenarbeiten, das unter der Führung von Adolf Hitler eine neue Weltordnung in Europa und weltweit errichten wird… Eine ukrainische nationale Revolutionsarmee wird auf ukrainischem Land gebildet; sie wird gemeinsam mit den deutschen Verbündeten gegen die Moskauer Besatzung kämpfen, im Namen des souveränen katholischen ukrainischen Staates und der neuen Ordnung auf der Welt.“

Poster SS und Ukrainer

Werbeplakat der SS für ukrainische Freiwillige

„Die Pogrome unter dem Kodenamen ‚Operaton Petlura‘ begannen wenige Stunden nach dem Eintreffen von Stezko und Oberländer in Lwow“, fahren die Andersons fort. „Juden, Intellektuelle, ethnische Russen, Mitglieder der kommunistischen Partei – alle, die des Widerstands gegen die ’neue Ordnung‘ verdächtig waren – wurden zusammengetrieben und von den Nazis und den ukrainischen Nationalisten in einem gemeinsamen Einsatz erschossen.“ Während der eine Woche, in der Stezko in Lwow „Premier“ war, wurden, Schätzungen zu Folge, ungefähr siebentausend Menschen massakriert, die meisten davon Juden. Zehntausende weitere wurden an den Rändern der Stadt durch marodierende Einheiten der OUN-B getötet. In den darauf folgenden vier Jahren massakrierten die deutschen Nazis und ihre ukrainischen Kollaborateure die gesamte jüdische Bevölkerung von Lwow – ungefähr hunderttausend Personen – und über eine Million ukrainischer Juden.

Ukrainische Polizeieinheiten, die von den deutschen mobilen Vernichtungseinheiten organisiert wurden – den Einsatzgruppen – wurden aus den Mitteln finanziert, die von den Juden beschlagnahmt worden waren. Die Einsatzgruppen beschränkten sich darauf, die Erwachsenen zu erschiessen, und überliessen die Erschiessung von Kindern ihren ukrainischen Kollaborateuren.

Poster SS Galizia

Poster der SS-Division „Galizien“ mit Hitler-Zitat und dem Wappen von Lwow

Als nach der Schlacht von Stalingrad der Verlauf des Krieges sich zu Gunsten der Sowjetunion kehrte, wuchs der Bedarf der Nazis für ihre ukrainischen Verbündeten weiter. Im Frühjahr 1943 begannen die Deutschen damit, eine SS-Division mit ukrainischen Freiwilligen aus dem Bezirk Galizien zu bilden – sie wurde die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS „Galizien“ (1. ukrainische Division) genannt. Der Eid, den die Mitglieder dieser Division ablegten, war der selbe wie der anderer Freiwilligeneinheiten des Reiches:

„Ich werde Dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches mit Treue und Tapferkeit dienen. Ich schwöre, Dir bis in den Tod zu gehorchen. So Gott mir helfe!“

Die ukrainische Aufstandsarmee (UIA) wurde 1944 gebildet. Die deutsche Presse veröffentlichte zahlreiche Artikel über die Erfolge der UIA in Kämpfen mit den Bolschewisten und nannten die Mitglieder der UIA „ukrainische Freiheitskämpfer“. Später war es nicht die deutsche, sondern die amerikanische Presse, die die OUN, die UIA und Stezko „Freiheitskämpfer“ nennen sollte.

Im März 1945 machten die deutschen einen populistischen Schritt, als sie die Schaffung einer sogenannten ukrainischen Nationalarmee auf Grundlage der „Galizier“ unter dem Kommando von General Schandruk verkündeten. Pawlo Schandruk lebte nach dem Krieg in Deutschland, und 1949 zog er in die Vereinigten Staaten, wo er bis 1979 glücklich in Trenton, New Jersey, lebte. Der Ukrainian Quarterly (ukrainische Vierteljahresschrift), eine Publikation des ukrainischen Kongresskomittees von Amerika (UCCA), der Lew Dobriansky vorsass, veröffentlichte nach seinem Tod eine Ode, die auf seine „akademischen Erfolge“ und „charismatische Fähigkeit, einen guten Eindruck bei Menschen zu hinterlassen“, hinwies.

Die Niederlage Nazideutschlands und die neue Kräfteverteilung in der Welt, in der die Sowjetunion eine deutlich größere Rolle spielte, bedeutete die Niederlage der ukrainischen Nazis und daher die Notwendigkeit der Reorganisation. Auf einer Konferenz der OUN 1945 wurde eine Führung aus drei Personen gewählt: Stefan Bandera (Vorsitzender), Stezko und General Roman Schuchewitsch.

Der Antibolschewistische Block der Nationen (ABM) wurde im April 1946 in München gegründet; er umfasste antikommunistische Organisationen aus 15 Ländern in Europa und Asien. Jaroslaw Stezko wurde zum Präsidenten der ABN gewählt – einer „Internationale der Ex-Nazis“. Er füllte diese Rolle bis zum letzten Tag seines Lebens.

Der Antibolschewistische Block der Nationen diente als Koordinationszentrum für antikommunistische Organisationen in den Sowjetrepubliken und den sozialistischen Ländern. Zu unterschiedlichen Zeiten gehörten ihm Organsationen aus Armenien, Weißrussland, Bulgarien, Georgien, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Kroatien, Tschechoslowakei (später der tschechischen Republik und der Slowakei) und einiger ethnischer Gruppen an. Seine Hauptquartiere und Zellen waren daran beteiligt, Propaganda zu verbreiten, antisowjetische Demonstrationen zu organisieren und Pressekonferenzen und internationale Kongresse abzuhalten. Stezko richtete 1971 ein Büro der ABN in Taiwan ein, aber schon davor gab es eine lange Kooperation mit der in Taiwan beheimateten chinesischen Antikommunistischen Liga.

Es ist wert, festzuhalten, dass es die Ukrainer waren, die die führende Rolle bei dieser Sammlung antikommunistischer Nationen innehatten.

1967 führten die Bemühungen von Stezko und anderen zu einer neuen antisowjetischen Organisation – der antikommunistischen Weltliga (WACL), in deren Führung Stezko ständiges Mitglied wurde. Öffentlich beteiligte sich die Liga an antisowjetischer Propaganda.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass sich ihre Ziele, wie die Mitgliedschaft und die Tätigkeit von WACL, ABN und anderen derartigen Gruppen belegen, nicht auf nationale Gebiete beschränkten. Antisowjets aus der ganzen Welt trafen sich regelmäßig auf multinationalen Konferenzen und hielten Treffen im Kongress und im Weißen Haus ab; ihr Agentennetzwerk arbeitete eng mit den westlichen Nachrichtendiensten zusammen. Fünfzig Jahre späterwürden sich genau auf die selbe Art die Anführer der „Farbrevolutionen“ aus Serbien, der Ukraine, Georgien, Kirgistan, Weissrussland und den anderen Ländern, in denen dieser Prozess gerade im Gange ist, Russland eingeschlossen, treffen und Erfahrungen austauschen. Ihre Organisatoren werden die selben Büros in Washington aufsuchen und den Präsidenten der Vereinigten Staaten treffen – Gerges W. Bush, zu jener Zeit. Genau wie im Kampf mit der Sowjetunion wird der Kampf gegen Russland eine globale Operation sein, keine örtliche. Die ABM wurde 1996 formell aufgelöst – aber tatsächlich führen Netzwerke aus neuen Organisationen mit erneuerten Namen seine Mission fort.

Das Foto von Katherina Tschumatschenko mit Stezko und Kirkpatrick ist ein klarer Beleg für die Kontinuität des Kampfes gegen Russland: ein ukrainischer Kollaborateur übergibt den Stab an die nächste Generation, die die orangene Revolution organisiert – in Gegenwart und unter der Anleitung einer Agentin der radikalen US-Rechten.

Am 13. Juli 1983 wurde ein ehemaliger Henker, der dem Faschismus Treue geschworen hatte und am Genozid an Juden, Russen und Polen beteiligt war, zu einem Empfang ins Weiße Haus eingeladen, um aus der ersten Reihe die Worte des US-Präsidenten Ronald Reagan zu hören: „Ihr Traum ist unser Traum. Ihre Hoffnung ist unsere Hoffnung.“

Jaroslaw Stezko war auf dieser schwierigen Strecke nicht alleine unterwegs. Seine Frau und Gefährtin, Jaroslawa (Slawa) Stezko arbeitete mit ihm in allen seinen Organisationen und Initiativen. Während Stezko die ABN betrieb, war Slawa Mitglied des Zentralkomittees, Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Herausgeberin des Rundbriefs der ABN, der ABN-Korrespondenz. Als die WACL gebildet wurde, wurde sie Mitglied der ständigen Delegation der ABN in der Liga. Von 1968 an leitete Slawa Stezko die aussenpolitische Abteilung der OUN-B. Nach dem Tod ihres Ehemanns 1986 wurde sie zur Führerin der OUN-B und zur Präsidentin der ABN gewählt.

Jaroslawa hatte, anders als Jaroslaw, das Glück, die Früchte der Arbeit so vieler Jahre zu sehen. 1991 zog sie nach 47-jähriger Abwesenheit zurück in die Ukraine, gerade rechtzeitig, um den 50. Jahrestag der Erkkärung der ukrainischen Unabhängigkeit am 30. Juni 1991 zu begehen, der in Lwow abgehalten wurde, wo Jaroslaw die Erklärung zuerst verlesen hatte. Jaroslawa Stezko zog im selben Jahr noch in die Ukraine zurück.

Als erste Handlung in ihrem Geburtsland unternahm es Slawa Stezko, eine politische Partei zu gründen, die auf der OUN-B basierte. Diese Partei wurde kaum ein Jahr soäter gegründet und wurde Kongress der ukrainischen Nationalisten genannt (CUN), und Stezko selbst wurde Vorsitzende der Partei. Nachdem sie die ukrainische Staatsbürgerschaft erhielt, wurde Stezko 1997 in die Werchowna Rada gewählt und sie eröffnete, als älteste Abgeordnete der Werchowna Rada, die erste Sitzung des neugewählten Parlaments am 14. Mai 1998.

Bei ihrer Beerdigung 2003 pries Schymko, ehemaliger Präsident des Weltkongresses der freien Ukrainer (jetzt ukrainischer Weltkongress genannt), Slawa Stezko als „Heldin“ der Ukraine: „Pani Slawa lebte ein Leben ohne Kompromisse, von dem Moment an, als sie sich mit 18 dem Befreiungskampf anschloss.“ Unmittelbar hinter ihrem Sarg und Schulter an Schulter gingen die Führer der Partei Unsere Ukraine, Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko.

begräbnis stetsko

Beerdigungsgottesdienst für Slawa Stezko in einer Kiewer Kirche; http://www.vesti7.ru/news?id=12408

Alles, wovon die ukrainischen Nationalisten geträumt hatten, wofür sie in der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS „Galizien“ und den amerikanischen Geheimdienstnetzwerken (wovon wir später sprechen werden) geträumt hatten, begann schrittweise, Gestalt anzunehmen.

Am 14. Oktober 2005 stimmte eine ukrainische Regierungskommission den Meinungen einer Arbeitsgruppe von Fachleuten zu, die vorgeschlagen hatte, die Aktivitäten der OUN/UPA als einen Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit der Ukraine zu werten.

Während der Feierlichkeiten zum Tag des Sieges 2006 sprach Präsident Viktor Juschtschenko von der Notwendigkeit der Veteranen der OUN/UPA, sich mit den Veteranen der sowjetischen Armee zu versöhnen, und appellierte an die Werchowna Rada mit der Bitte, so schnell wie möglich ein Gesetz über den Status der Soldaten der UPA zu verabschieden: „Die Werchowna Rada sollte all jenen Tribut zollen, die ihr Geburtsland verteidigt haben, und für ein Gesetz stimmen, dass die Soldaten der UPA als Kriegsveteranen anerkennt. Das ist unsere Pflicht der Generation unserer Väter gegenüber.“

Am 14. Oktober 2006, dem 64. Jahrestag der Errichtung der UPA, unterzeichnete Präsident Viktor Juschtschenko das Dekret „Über das gründliche und objektive Studium der Aktivitäten der ukrainischen Befreiungsbewegung und die Unterstützung beim Prozess der nationalen Versöhnung“. In diesem Dekret forderte der Präsident insbesondere das Ministerium für Bildung und Wissenschaft dazu auf, die Geschichte der UPA als einer ukrainischen nationalen Befreiungsbewegung zu verbreiten; die Schaffung von Literatur, populärwissenschaftlichen Filmen und Sendungen über die Teilnahme der Ukrainer am zweiten Weltkrieg zu organisierten, und „ganz und objektiv im Bildungsprozess“ über die Aktivitäten solcher Organsiationen wie der OUN/UPA, der ukrainischen Befreiungsorganisation und anderer Organisationen „aufzuklären“.

Teil 2. Das Dritte Reich

Kapitel 4

Theodor Oberländer: Professor, Demograf, Aufseher der ukrainischen Schlächter, Minister der BRD

In den vorhergehenden Kapiteln wurde in unserer Untersuchung der Ereignisse, an der die ukrainischen Personen beteiligt waren, Theodor Oberländer als der deutsche Koordinator der Einheiten der Waffen-SS erwähnt, der mit Stezko und Bandera in Lwow einmarschierte und an der Konferenz der Antikommunistischen Weltliga in Luxemburg 1983 teilnahm. Jetzt betrachten wir seine Aktivitäten auf der deutschen Seite.

Oberländer studierte Wirtschaft, Demografie und die sozialen Aspekte der osteuropäischen Länder, insbesondere Polen; genau gesagt, er entwickelte Pläne zur Kolonisierung Polens durch Deutsche. Von 1937 bis 1938 arbeitete er im zentralen Büro der Abwehr – deutscher Nachrichtendienst und Spionageabwehr. 1939 wurde er in die Niederlassung der Abwehr in Breslau (heute Wrozlaw) versetzt. Das war eine spezielle Abteilung. Sie diente als Zentrum für die Umsetzung der Aufgaben der zweiten Abteilung der Abwehr, die sich auf Sabotage, Subversion, die Organisation von „fünften Kolonnen“, pschologische Kriegsführung und andere zweifelhafte Methoden, einem Feind zu begegnen, spezialisiert hatte. Der Gebrauch dieser Methoden begann in der Tschechoslowakei, und er setzte sich in Polen fort, durch die Unterstützung deutscher und ukrainischer Minderheiten in diesen Ländern. Als Spezialist für polnische Fragen war Oberländer an der Vorbereitung dieser Aktivitäten beteiligt, im Vorlauf zur Besetzung Polens durch deutsche Truppen.

Oberländers nächste Station war Krakau, wo er mit den Besatzungstruppen als Vertreter der Abwehr für ukrainische Fragen eintraf. Das Hauptinstrument der Abwehr für die Ukraine war die Organisation ukrainischer Nationalisten, mit der die Abwehr bereits in Polen gearbeitet hatte. Dies geschah gerade, als die Spaltung der OUN stattfand. Ein neuer radikaler Flügel unter Führung Banderas, der aus Aktivisten bestand, die nei ausserhalb der Ukraine gelebt, aber an terroristischen Aktionen in Polen zwischen den Kriegen teilgenommen hatten, stiess mit dem offiziellen Anführer der OUN, Andrij Melnyk, und seinen Anhängern zusammen, die mehrere Jahre im Ausland verbracht hatten und einen moderateren Kurs befürworteten.

Alle deutschen Versuche, die Organisation wieder zusammenzuführen, scheiterten. „Ein völliges Disaster“, so beschrieb General von Lahausen nach dem Krieg diese Versuche. Sie mussten wählen. Die Erfahrung in Terrorismus und Sabotage in Polen und Oberländers Befürwortung radikaler Methoden führten dazu, dass die Wahl auf Banderas Gruppe fiel.

theodor oberländer

Theodor Oberländer, der persönlich die Einsätze gegen ukrainische Partisanen geleitet hatte, in seiner Zeit als Minister Adenauers

frank heydrich oberländer
Drei SS-Männer: Frank (v.l.), Heydrich (2.v.l.), Oberländer (stehend)

Inzwischen wurde in Berlin 1940 entschieden, die UdSSR anzugreifen. Die Planungen für die Operation begannen im August; der 15. Mai 1941 wurde für den Anfang des Krieges bestimmt. Die Zusammenarbeit mit der OUN-B trat in eine neue und aktivere Phase ein, als dieser Plan entwickelt wurde. Oberländer wurde nach Prag versetzt. Zu dieser Zeit hatte Oberländer, ein 36 Jahre alter Demograf, den Rang eines Oberleutnants erhalten. Die beiden Seiten einigten sich auf Folgendes: die Abwehr würde zwei ukrainische Einheiten bilden und ausstatten, die für sie arbeiteten, und im Gegenzug würde die OUN-B in den besetzten Gebieten ihren eigenen politischen Zielen folgen können. Das erlaubte Stezko, die ukrainische Unabhängigkeit und sich zum Premier zu erklären. Oberländer wurde die Verantwortung für alle gemeinsamen Einsätze der Abwehr und der OUN-B übertragen.

Oberländer verbrachte die Zeit vom 8.Mai bis 18. Juni 1941 auf dem Stützpunkt von Nachtigall in Neuhammer, überwachte die Ausbildung seiner Truppen und besprach sich mit den Führern der OUN-B, einschliesslich Stezko. Zwanzig Tage später, am 30. Juni, zog die Einheit Oberländers in Lwow ein. Das Kapitel über Stezko beschreibt, was danach geschah.

Oberländer trug direkte Verantwortung für die Verbrechen, die durch die Einheit Nachtigall begangen wurden, die einzig seinem Kommando unterstand. Er war indirekt für die Pogrome und Säuberungen verantwortlich, die von der ukrainischen Polizei begangen wurden, denn er war der politische Aufseher für Stezko und die Hinrichtungstrupps, die von seiner „Regierung“ organisiert wurden.

Als der Krieg sich dem Ende näherte, gab es im April 1945 ein Treffen zwischen deutschen Offizieren und Kollaborateuren, auf dem entschieden wurde, einen Kontakt zu den Westalliierten herzustellen. Oberländer brach zum Hauptquartier von General Patton auf. Der Kontakt wurde am 23. April hergestellt.

Nachdem die Erwähnung seiner Tätigkeit für die Abwehr aus seinen Akten gelöscht wurde, erhielt Oberländer eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von einer örtlichen Entnazifizierungskommission in Bad Kissingen, Bayern.

Anfang 1950 erhielt Oberländer den Posten des Ministers für Vertriebenenfragen in der Regierung der BRD. Dieser Posten ermöglichte es ihm, den Prozess der „Bleichung“ der Nazivergangenheit aus den Akten benötigter Leute zu überwachen und sie auf offizielle Posten zu hieven. Auf diese Weise wurden hunderte ehemaliger Nazis in die westdeutsche Regierung reintegriert.

Kapitel 5

Reinhard Gehlen: Leuter des Nachrichtendienst des Dritten Reichs an der Ostfront – und der „amerikanische Spitzenspion“

Schon bald nach Ende des Krieges landete ein Flugzeug auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Washington, um einen besonders kostbaren, geheimen Passagier zu liefern. Einer der höchstrangigen Vertreter des eroberten Feindes betrat amerikanischen Boden – eine legendäre Gestalt im Nachrichtendienst Nazideutschlands, Generalleutnant Reinhard Gehlen.

Als er noch dem Führer diente, im Dezember 1944, wurde Reihard Gehlen (1902-1979), damals noch Generalmajor, zum Leiter des deutschen Nachrichtendienstes an der Ostfront („Fremde Heere Ost“, A.d.Ü.) gemacht, in Anerkennung seiner „aussergewöhnlichen Begabungen und Erfahrung“. Tatsächlich war er zuvor damit beschäftigt, Erkenntnisse über die Sowjetunion zu sammeln, als er dem deutschen Generalstab diente.

Im März 1945, als sie verstanden, dass es mit dem Dritten Reich zu Ende ging, bannten Gehlen und eine kleine Gruppe ihm nachestender Offiziere Material auf Mikrofilm, das sie gesammelt hatten, und verbargen es an mehreren Orten in den Österreicher Alpen.

reinhard gehlen

Reinhard Gehlen in Diensten des „Dritten Reiches“

Am 22. Mai 1945 ergab sich der Generalleutnant der Wehrmacht Gehlen der 7. Armee General Pattons und verlangte umgehend ein Gespräch mit der amerikanischen Spionageabwehr (zu dieser Zeit erfüllte das US Spionageabwehrkorps diese Funktion). Gehlen bot seinen Apparat, sein Agentennetzwerk und das gesammelte Material der amerikanischen Spionageabwehr im Tausch gegen seine Freiheit an.

Während die Sowjetunion vergeblich die Auslieferung Gehlens und die Übergabe seines Materials forderte, kamen die Parteien des Pentagon schnell überein. Gehlens Material und sein Netzwerk seien „unbezahlbar“, und „all seine Bedingungen wurden angenommen,“ Nach dieser Übereinkunft würde Gehlen seinen Nachrichtendienstapparat, der „gänzlich aus deutschem Personal“ bestand, wieder aufbauen, und das würde aus dem „großzügigen Budget der US Spionageabwehr“ finanziert. In den Gesprächen mit Gehlen wurden die Vereinigten Staaten durch Allen Dulles, den künftigen Direktor der CIA und einer Gruppe von Nachrichtendienstgenerälen vertreten.

Das Ergebnis der Übereinkunft zwischen dem Pentagon und Gehlen war, dass hunderte von Wehrmacht- und SS-Offizieren aus Kriegsgefangenenlagern befreit und an Gehlens Stab im Spessart übergeben wurden – sie bildeten das Skelett einer Organisation, die aus 350 von Gehlen persönlich ausgewählten Offizieren bestand. Unter ihnen fand sich beispielsweise Alois Brunner, der für das Internierungslager Drancy vor Paris und den Tod von 140 000 Juden dort verantwortlich war. Als der Stab der Organisation Gehlen, oder Gehlen Org, wie sie zwanglos genannt wurde, 3 000 erreichte, zog das Hauptquartier auf eine gut bewachte Fläche bei München, wo die Org Gehlen unter dem Decknamen „Süddeutsche Industrieentwicklungsorganisation“ firmierte.

Anfang der 1950er bestand die Gehlen Org aus 4 000 Offizieren. Gehlens Agentennetzwerk umspannte ein ungeheures Gebiet von Korea bis Kairo, von Sibirien bis Santiago de Chile.

1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland ein unabhängiger Staat unter Bundeskanzler Konrad Adenauer, und 1956 wurde die Organisation Gehlen offiziell in die BRD integriert. Reinhard Gehlen wurde der Leiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). Er hielt diese Stellung bis zu seiner Pensionierung 1968.

Gehlens Name war den Europäern nicht unbekannt; die Aktivitäten der Organisation waren in Deutschland 1950 wohl bekannt; der sowjetische Nachrichtendienst war erfolgreich in Gehlens Netzwerk eingedrungen. Aber die amerikanische Öffentlichkeit erfohr erst 1954 von Gehlen, auf den Seiten der Washington Post, die ihn als den „amerikanischen Spitzenspion“ beschrieb.

„Gehlens Name wurde während der Haushaltsdebatten im Kongress niemals erwähnt, und er gibt pro Jahr sechs Millionen Dollar aus, die ihm das US-Schatzamt zur Verfügung stellt.

Seine Organisation umfasst tausende Agenten verschiedenster Nationalitäten, zusammen mit der Elite des Spionageabwehrkorps der alten deutschen Armee.

Die CIA und das Pentagon trauen diesem pensionieren deutschen Generalleutnant offenbar mehr als jedem Politiker ihrer Alliierten…“

Viele Historiker und Fachleute glauben, dass die Philosophie des Kalten Krieges während des zweiten Weltkriegs entstand. Valentin Falin und Viktor Litowkon präsentierten Daten über Churchills Entwicklung der „Operation Unthinkable“ – eines Plans für einen Krieg gegen die Sowjetunion, der am 1.Juli 1945 mit 112-113 Divisionen beginnen sollte, darunter ein dutzend Divisionen der Wehrmacht, die in Schleswig-Holstein und Süddänemark bis in den Frühling 1946 bereit gehalten wurden.

Der Nazi-Geheimdienstler Generalleutnant Gehlen hatte Erfolg bei der Führung der Vereinigten Staaten, weil diese, wie Großbritannien, zu diesem Zeitpunkt ihre eigenen Pläne die Sowjetunion betreffend machten. I m Mai 1945 war der damalige Präsident Trumann überzeugt, die Sowjetunion würde der nächste Feind Amerikas. Die Vereinigten Staaten hatten jedoch kein Agentennetz in Osteuropa – sie brauchten dringend so etwas wie Gehlen und seine Organisation. Viele Jahre lang blieb die Gehlen Org die einzige Möglichkeit der CIA, zu „sehen“ und zu „hören“, was im sowjetischen Block geschah.

Die Geschichte der Errichtung der Gehlen Org und ihrer Beziehungen mit den amerikanischen Nachrichtendiensten ist detailliert in der jüngst deklassifizierten zweibändigen Sammlung von CIA-Dokumenten belegt, „Forging an Intelligence Partnership: CIA and the Origins of BND, 1945-49“ (Das Schmieden einer Nachrichtendienst-Partnerschaft: CIA und die Ursprünge des BND, 1945-49). Das Programm zur Assimilierung von Nazis in das amerikanische Establishment durch „Bleichung“ ihrer Akten und Verhinderung von Ermittlungen erhielt die Bezeichnung „Operation Paperclip“ – Operation Büroklammer (unter denen, die später an diesem Programm beteiligt waren, war auch Katherina Tschumatschenko, als sie gegen das Büro für Spezialermittlungen arbeitete). Das Programm, das Allen Dulles begonnen hatte, wurde verdeckt bis in die Mitte der 1950er fortgesetzt.

Während die Streitkräfte der USA in Europa Nazis jagten, stellten andere Teile der amerikanischen Regierung eben diese Nazis an. Weder das Verbot, Nazipersonal in Amerika zu beschäftigen, noch die stattfindenden Nürnberger Prozesse, noch Gehlens verborgenes Streben, Deutschland Über Alles wieder herzustellen, wovon die OSS und die CIA gewusst haben müssen – nichts davon verhinderte die enge Zusammenarbeit Amerikas mit den Nazis. Das Ziel – der Kampf gegen die UdSSR – rechtfertigte die Mittel auf jeden Fall.

Gehlen seinerseits setzte den Krieg gegen die UdSSR durch die Amerikaner fort. Zu einer Zeit, als das halb zerstörte Land erst den Wiederaufbau begann, schickte Gehlen nach Washington Berichte über einen unvermeidlichen Angriff der Sowjetunion. Gemäss der Gehlen-Biografie von E.H. Cookridge wie auch nach Berichten anderer Forscher hatte Gehlen die Vereinigten Staaten 1948 fast überzeugt, dass die Sowjetunion den Westen angreifen wolle. Gehlen empfahl, zuerst zuzuschlagen. Später, in den 1950ern, erhielt Gehlen die Idee aufrecht, die UdSSR sei den Vereinigten Staaten in der Entwicklung militärischer Macht voraus – der sogenannte „Missile Gap“ (dt. Raketenlücke) entfachte die antikommunistischen Gefühle zu fiebriger Hitze.

Der ehemalige CIA-Offizier Victor Marchetti berichtete, die CIA „liebte Gehlen, weil er uns mit dem fütterte, was wir hören wollten. Wir haben sein Zeug ständig genutzt und alle anderen damit gefüttert: das Pentagon, das Weiße Haus, die Zeitungen. Sie liebten es auch. Aber es war aufgebauschter Müll vom russischen Schreckgespenst, und es hat unserem Land eine Menge Schaden zugefügt.“

Möglicherweise eines der wichtigsten Ergebnisse der Arbeit der Gehlen Org war die Herausbildung des Konzepts des „Zurückrollens“ der UdSSR und der „Befreiung“ Osteuropas in Amerika. Das Konzept des „Zurückrollens“ beruhte auf politischer Kriegsführung und der Strategie verdeckter Einsätze, die das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete des Dritten Reiches unter Führung von Alfred Rosenberg entwickelt hatte. Teilweise beinhaltete diese Strategie die Anwerbung nationaler Minderheiten in der UdSSR, um die Regierung zu stürzen – im Gegenzug wurde den Minderheiten eine nominelle Unabhängigkeit als Teil Großdeutschlands versprochen.

In der amerikanischen Version zielte die Theorie der „Befreiung“ auf die Auslöschung des Kommunismus in Osteuropa und das Zerbrechen der Sowjetunion in ihre Teilrepubliken, unter dem Vorwand, in den „befreiten“ Ländern die Demokratie einzuführen. Mit der Hilfe der CIA wurde diese Theorie in den Vereinigten Staaten zur Hauptströmung und kristallisierte zum Kreuzzug für die „Freiheit“.

Kapitel 6

Adolf Heusinger: der Architekt des Unternehmens Barbarossa – und der Kopf des ständigen Militärkommittees der NATO

Gehlen war nicht der Einzige, der beschloss, seine Bemühungen mit denen der westlichen Eroberer zu vereinen. Neben ihm ergab sich ein weiterer brillianter Wehrmachtsgeneral den amerikanischen Streitkräften und erreichte noch größere Erfolge im Dienst an den neuen – und alten – Idealen.

Am Tag, als Nazideutschland die UdSSR angriff, sagte der britische Premier Winston Churchill, kaum ein Freund der Sowjetunion: „ Das Nazi-Regime… hat allen Verstand und alle Prinzipien verloren ausser seinem Durst nach Macht und rassischer Vorherrschaft. Seine Grausamkeit und Wildheit haben in dieser Aggression alle Formen menschlicher Niedertracht überschritten. Hinter all dem sehe ich eine kleine Gruppe monströser Individuen, die diese Flut des Schreckens, die über die Menschheit hereinbricht, geplant, organisiert und durchgeführt haben.“

Eines dieser wenigen „monströsen Individuen“ war Adolf Heusinger (1897-1982), Generalleutnant in der deutschen Armee und Leiter der Operationsabteilung des Generalstabes im Oberkommando des Heeres. Im Juli 1940 wurde Heusinger, einer der brilliantesten Gefolgsleute Hitlers, der Planung des Unternehmens Barbarossa zugeteilt. Seine vorgesetzten Offiziere fanden den Planungsentwurf „so gut gelungen, dass keine bedeutenden Änderungen daran vorgenommen wurden“.

Historiker nennen General Heusinger das „Gehirn und Genie“ des deutschen Generalstabs. Er vereinte in sich Talent, hoche Bildung und Kenntnis militärischer Strategie und Taktik und der langen deutschen militärischen Tradition. Von 1038 bis 1945 entwickelte er Strategien und führte und lenkte Hitlers Taktik bei der Eroberung Europas und der UdSSR. Heusinger wusste, dass Hitler den Bruch des Nichtangriffspaktes mit der UdSSR plante, er wusste, dass das Ziel der Genozid an Slawen und Juden war. Er berichtete nur Hitler, und nachdem die Ostfront eröffnet wurde, kontrollierte er alle Einsatzentscheidungen auf diesem Schauplatz aus dem Hauptquartier der Wehrmacht in Winniza.

heusinger und hitler

Heusinger mit Hitler. Foto aus der Kölnischen Illustrierten Zeitung vom 12. August 1942

Überraschenderweise trat jedoch der Chefstratege des Hitlerschen Generalstabs in den Nürnberger Prozessen als Zeuge für die amerikanischen Ankläger auf. Durch diesen Schritt erklärte das State Department, dass „General Heusinger von jeder Komplizenschaft bei den Gräueltaten, die das Naziregime begangen hat, freigesprochen ist“.

Tatsächlich hatte das „Gehirn und Genie“ des deutschen Generalstabes seinen eigenen Worten zu Folge „die Dinge durchdacht“ – und sich am 8. Mai 1945 den vorrückenden amerikanischen Truppen ergeben,

Der nächste Arbeitsplatz General Heusingers war, natürlich, die Organisation Gehlen, und 1957 übernahm er den Posten des Generalinspekteurs der Bundeswehr.

Es ist 1961. Der junge, eben erst gewählte Prüsident der Vereinigten Staaten, John Kennedy, eröffnet den ständigen Militärausschuss der NATO, die höchste militärische Organisation der Allianz, in der die militärischen Führer aller Mitgliedsstaaten zusammenkamen. Der neue Vorsitzende des Ausschusses soll auf diesem Treffen vorgestellt werden; nach der Satzung der Allianz ist er „verantwortlich für die Empfehlung militärischer Massnahmen, um die NATO-Politik umzusetzen“. Präsident Kennedy dankte den Mitgliedern der Allianz für ihre Bemühungen bei der „Verteidigung der freien Welt“ und rief sie auf, „zusammenzuarbeiten, um die weltweite Verteidigung der freien Welt zu stärken“. „Und jetzt“, sagte der Präsident,“ möchte ich unsere Versammlung an den neuen Vorsitzenden, General Heusinger, übergeben.“

General Heusinger.

Hitlers persönliche Ernennung und Chefstratege des entschwundenen Dritten Reichs, der geheimnisvollerweise dem Nürnberger Tribunal entrann, wurde am 1.AApril 1961 Vorsitzender des NATO Militärausschusses. Sein Büro im Pentagon mit der Nummer 3-E-180 befand sich zwischen den Büros der höchstrangigsten Mitglieder der US-Streitkräfte. Nazideutschland und der vereitelte Zweck, dem Heusingers dortiger Dienst folgte, waren auf die großarrtigste Weise gerächt worden.

karrikatur daily mirror

Karrikatur aus dem britischen Daily Mirror: „Sie werden wieder populär“ lautete die Überschrift. Im Bild: „Spitzenposition der NATO an ehemaligen Kommandeur Hitlers vergeben.“

Viele Amerikaner verstanden die finstere Symbolik dieser Ernennung. Wayne Morse, demokratischer Senator aus Oregon, sagte:

„Das State Department sollte wirklich verstehen, dass ich dieses Argument nicht kaufe, dass … es nötig ist, um die militärische Stärke Westdeutschlands aufzubauen, einen Nazigeneral in eine Stellung des höchsten Kommandos zu hieven … wo er Einfluss, Authorität und Macht hat, die gemeinsame Militärpolitik zu bestimmen, deren Teil die Vereinigten Staaten sind. Dieser Nazigeneral ist ohne jeden Zweifel mitverantwortlich für den Tod tausender amerikanischer Jungs … was ist mit unserem Gedächtnis passiert? Ist es wirklich so kurz?“

Weder die Verantwortung für den Tod amerikanischer Jungs noch die Verantwortung für den Tod Millionen anderer konnte Heusingers Nützlichkeit aufwiegen, die der Architekt des Unternehmens Barbarossa für die Architekten des neuen militärischen Plans gegen die UdSSR besass.

Teil 3. Die Vereinigten Staaten

Kapitel 7

Neustart: Übertragung von Aufgabe, Ressourcen und Personal vom Dritten Reich auf die Vereinigten Staaten

Ehe er Selbstmord beging, bestimmte der Führer des Dritten Reichs, Adolf Hitler, Karl Dönitz, den Großadmiral und Befehlshaber der deutschen Marine, zu seinem Nachfolger. Der Admiral führte das Reich nicht lange. Sowjetische Truppen waren bereits in Berlin, und am 7. Mai 1945 schickte Dönitz ein Abschiedsschreiben/Testament an das nazideutsche Offizierskorps:

„Kameraden! Es ist für uns alle offensichtlich, dass wir jetzt gänzlich in den Händen des Feindes sind. Unser Schicksal ist dunkel. Wir können nicht wissen, was sie mit uns machen werden, aber wir wissen sehr wohl, was wir tun müssen. Wir wurden tausend Jahre zurückgeworfen. Das Land, das ein Jahrtausend lang Deutschland war, ist jetzt in den Händen der Russen. Daher ist unsere politische Linie klar. Es ist offensichtlich, dass wir uns den westlichen Staaten anschließen und mit ihnen in den besetzten Gebieten im Westen zusammenarbeiten müssen, denn nur die Zusammenarbeit mit ihnen gibt uns die Hoffnung, unsere Länder aus den Händen der Russen wiederzuerlangen..:“ (A.d.Ü.: ich habe vergeblich versucht, diesen Text im Internet zu finden. Daher handelt es sich hier um eine Rückübersetzung aus dem Englischen, nicht um das Original… )

Gehelens Überzeugungen stimmen mit dem Testament des Admirals Dönitz überein. In seinen 1971 veröffentlichten Memoiren schrieb Gehlen:

„Meiner Meinung nach wird in Europa, das sich gegen den Kommunismus wiederbewaffnet hat, auch für Deutschland ein Platz gefunden werden. Daher müssen wir uns auf die westlichen Staaten hin orientieren und werden dabei von einem zweifachen Ziel geleitet: bei der Verteidigung gegen die kommunistische Expansion mithelfen und die Territorien wieder zu vereinen, die Deutschland verloren hat.“ (A.d.Ü.: nochmals eine Rückübersetzung)

In der Denkschrift „Über die psychologische Kriegsführung“ schlug Oberländer 1948 Folgendes vor:

„Um den Bolschewismus zu überwinden, wird es nötig sein, die folgenden Anstrengungen zu verbinden:

  • Ein Programm der politischen Kriegsführung vor Beginn militärischer Handlungen;
  • Ein Programm der Vorbereitung auf einen bewaffneten Konflikt;
  • Ein Programm für die Welt, dem die ersten beiden Programme untergeordnet sind. Dieses Programm für die Welt muss mit voller moralischer Verantwortung langfristige politische Leitlinien etablieren – nicht den Atlantik-Pakt, sondern die Pax Americana mit dem sozialen Inhalt einer Pax Christiana.“

Der Investigativreporter Christopher Simpson zitierte die folgenden Tatsachen in seinem Buch „Blowback: Americas Recruitment Recruitmentfif Nazis and its Effects on the Cold War“ („Rückstoß: Amerikas Rekrutierung von Nazis und ihre Auswirkungen auf den Kalten Krieg“):

„Die CIA, das State Department und der US-Militärnachrichtendienst haben jeder für sich Sonderprogramme eingeführt, die das spezifische Ziel hatten, ausgewählte ehemalige Nazis und Kollaborateure in die Vereinigten Staaten zu bringen… Die Regierung nutzte diese Leute als Experten für Propaganda und psychologische Kriegsführung, um in amerikanischen Laboren zu arbeiten und mehr noch, als bewaffnete Guerillagruppen, die im Falle eines Atomkriegs in der UdSSR eingesetzt werden sollten… Hunderte oder womöglich gar tausende dieser Rekruten waren SS-Veteranen; einige waren Offiziere des blutigen Sicherheitsdiensts (SD, des Geheimdienstes der Nazipartei.“

So wurde die Mission des Kampfes gegen Sowjetrussland aus Nazideutschland in die Vereinigten Staaten übertragen. Ultrakonservative Kreise in Amerika haben nicht nur die Konzepte, Taktiken und Methoden von Nazideutschland übernommen, sondern auch einige seiner Leute, die später in Osteuropa, Zentral- und Südamerika, Asien und Afrika arbeiteten.

Auf diese Weise wurde das ehemalige Nazi-Netzwerk – mitsamt Personal, Methoden und Zielen – in die Strukturen der NATO eingebaut; es bildete das Skelett und die Architektur der Organisation. Nach der Ideologie der Heritage Foundation, „Leute sind Politik“. Auf russisch klingt das wie die bekannte Losung „die Kader sind entscheidend.“

Die amerikanische Displaced Persons Commission (Flüchtlingskommission) wirkte insbesondere als Kanal für den „Neustart“ von Personal. Nach Russ Bellant, dem Autor von „Old Nazis, the New Right and the Republican Party: Domestic fascist networks and their effect on U.S. Cold War politics“ („Alte Nazis, die neue Rechte und die Republikanische Partei: Heimische Faschistennetzwerke und ihre Auswirkungen auf die Politik der USA im Kalten Krieg“) ermöglichte diese Kommission zwischen 1948 und 1952 die Ankunft von annähernd 400 000 Menschen in den Vereinigten Staaten. Ursprünglich war ehemaligen Nazis die Einreise verboten – was ihre Ankunft keineswegs verhinderte, da Gehlen, Oberländer und Heusinger in Zusammenarbeit mit amerikanischen und britischen Nachrichtendiensten alle Verbindungen zum Nazismus aus den Akten nützlichen Personals getilgt hatten. Und 1950 änderte sich die offizielle Politik: die Kommission verkündete, dass „die baltische Legion keine Bewegung ist, die der US-Regierung feindlich gesonnen ist…“ Der andere Name dieser Legion war baltische Waffen-SS. Die Vereinigten Staaten hießen frühere Nazis willkommen und erachteten sie der amerikanischen Staatsbürgerschaft würdig.

So wie das Nazi-Netzwerk in die Infrastruktur der US-Geheimdienste integriert wurde, so wurden auch die Einwandererorganisationen ukrainischer „Unabhängigkeitskämpfer“ darin integriert – das waren Organisationen, die ausgeprägte Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Nazis hatten. WACL, ABN, das Komitee der gefangenen Nationen und dutzende anderer Diasporaorganisationen der osteuropäischen Nationen wurden eingerichtet, um den Kollaborateuren Zuflucht zu gewähren und ihre verdeckten Abteilungen als Agentennetze und als Reserve für direkte militärische Einsätze im Falle eines Krieges mit der Sowjetunion zu nutzen. Die britischen Nachrichtendienste folgten der selben politischen Linie: bei Amerikanern wie bei Briten bestand große Nachfrage nach Ukrainern.

Natürlich waren die ukrainischen Radikalen nicht die Einzigen, die in das antisowjetische Netzwerk einflossen; Einheiten und Organisationen wie die Division Galizien und die OUN existierten in vielen der Republiken und der osteuropäischen Länder: die Lettische Legion, die Pfeilkreuzler in Ungarn, die Eiserne Garde in Rumänien und die bulgarische Legion wurden mit Hilfe der SS gegründet und arbeiteten für die Nazis.

In Europa wurden Gehlen, Oberländer und Heusinger genutzt, um die Überreste des Dritten Reiches und seiner Verbündeten für den Kampf gegen die UdSSR zu mobilisieren. Die Vereinigten Staaten etablierten ein inneres Netzwerk von Organisationen, die aus eingewanderten osteuropäischen Kollaborateuren bestanden. Diese zwei Netzwerke waren eng mteinander verbunden und dienten als Hauptwerkzeug im Kampf gegen die Sowjetunion.

In ihrer offiziellen Rolle der Bekämpfung des Kommunismus verband die WACL das Sammeln von Informationen und aktive feindselige Handlungen. Als Scott und John Lee Anderson die Arbeit an ihrem Buch über die Liga begannen, erhielten sie diese Warnung von einem ehemaligen Mitglied:

„Mit der Antikommunistischen Weltliga betreten Sie eine Welt des ideologischen Fanatismus, des Radikalismus, der Ignoranz und des Schreckens, die das Verständnis des Durchschnittsamerikaners weit überschreitet… Der Gegenstand Ihrer Studien ist eine Sammlung östlicher Nazis, Kriegstreiber, ultrakonservativer Terroristen, die Bomben in zivilen Flugzeugen gelegt haben, Todesschwadronen, Mördern, Kriminellen und vieler anderer, die sebenso sehr gegen die Demokratie stehen wie gegen den Kommunismus. Sie bringen sich in Gefahr.“

Wie die Andersons schreiben: „ Viele der Gestalten, die die Errichtung und Förderung der Liga guthießen, praktizierten ihre eigene Art militärischer Einsätze in Pogromen, Ghettos und Konzentrationslagern im Europa des zweiten Weltkriegs.“

Der Vorsitzende des amerikanischen Zweigs der WACL war der Geheimdienstgeneralmajor John Singlaub (*1921), der oben bereits erwähnt wurde. Der Kongressabgeordnete Henry J. Hyde, ein Mitglied des Rechtsausschusses und der Ausschüsse für Politik und Nachrichtendienste, pries General Singlaub als einen „mutigen Mann und wahren Patrioten“, der „im Mittelpunkt fast jedes skandalösen Militäreinsatzes seit dem zweiten Weltkrieg“ gewesen sei. Tatsächlich galt Singlaub als einer der erfahrensten US-Experten für verdeckte und paramilitärische Einsätze. Nach seiner Biografie begann er seinen Dienst in Europa „hinter feindlichen Linien“, 1951 wurde er stellvertretender Stationschef der CIA in Südkorea, dann Stationschef in der Mandschurei; er kommandierte die Joint Unconventional Warfare Task Force (übersetzt gemeinsame Einsatzgruppe für unkonventionelle Kriegsführung) und die Spezialeinsatzgruppe in Vietnam, und er arbeitete mit den Contras in Nicaragua. Zusätzlich zur WACL saß Singlaub dem Organisationsausschuss für die Woche der gefangenen Nationen vor – der selben Woche, für die Katharina Tschumatschenko 1983 eine Reihe der Hauptereignisse koordinierte, in ihrer Funktion als Direktorin des nationalen (amerikanischen) Komitees der gefangenen Nationen.

Singlaubs Stellvertreter in der WACL war der zuvor bereits genannte Generalleutnant Daniel Graham (1926-1995), ein Mitglied der „Ruhmeshalle der Militärnachrichtendienste“. General Graham diente in Deutschland, Korea und Vietnam, dann im nationalen Schätzungsbüro der CIA. 1973 wurde er stellvertretender CIA-Direktor, und von 1974 bis 1976 Direktor der Defense Intelligence Agency (DIA). Präsident Reagan ernannte Grahem zum militärischen Berater seiner Wahlkämpfe 1976 und 1980. 1981 gründete Graham die Organisation High Frontier („Hohe Grenze“) und saß ihr auch vor; diese nahm Teil an der Entwicklung und Umsetzung der strategischen Verteidigungsinitiative (SDI), Reagans „Star Wars“-Konzept, mit aktiver Unterstützung aus Reagans „Küchenkabinett“. In den Vereinigten Staaten gilt Graham als der Organisator von SDI und einer der Hauptlobbyisten für Raketenabwehrsysteme und -pläne und die Militarisierung des Weltalls. Zusätzlich zu High Frontier war Graham der Vorsitzende weiterer weltraumbezogener Organisationen – der Koalition für SDI, dem amerikanischen Space Frontier („Himmelsgrenze“) Komitee; er nahm an der American Freedom Coalition und dem US-Rat für die Freiheit der Welt teil und diente als stellvertretender Vorsitzender der Koalition für Frieden durch Stärke – der Name spricht für sich selbst. Und natürlich war General Graham Mitglied des Antibolschewistischen Blocks der Nationen.

Eine weitere Person kann in der WACL gesehen werden, die bis vor kurzem als Präsidentschaftskandidat Prominenz genießen durfte – Senator John McCain. In den 1980ern war McCain im Beirat der Liga.

Eine weitere Gruppe im Netzwerk der internationalen antisowjetischen Einrichtungen der Diaspora, die unter anderem frühere Nazis nutzten, war das Republican National Heritage Groups Council (übersetzt so etwas wie „der republikanische Rat der Gruppen für nationales Erbe“). Der Vorläufer dieses Rats, die ethnische Abteilung des Republikanischen Nationalkomitees, half den Republikanern dabei, den Demokraten vorzuwerfen, nicht hart genug gegen den Kommunismus vorzugehen und bewarb die „Befreiungs“-Politik von Eisenhower und Nixon. Der Rat wurde 1969 von dem Ungarn Laszlo Pasztor gegründet, der die Jugendorganisation der Pfeilkreuzler geleitet hatte. Der Rat bestand aus nationalen Zellen in vielen US-amerikanischen Städten, die auf örtlicher Ebene in multinationale Räte zusammengeführt wurden. Gegen Ende der 1980er hatte der nationale Rat lokale Zweige in 25 Staaten und vereinte die Vertreter von 34 Nationalitäten.

Soweit es die Organisation ukrainischer Nationalisten angeht, nutzte die OUN in ihrem Kampf für „ukrainische Unabhängigkeit“ ein gut entwickeltes internationales Agentennetz. Dieses Netz, K3 genannt, begann als interne Polizeitruppe der OUN-B, die auch als SB bekannt wurde. Nach dem Krieg wurde sie zu einer unabhängigen Nachrichtendiensteinheit umgebildet; sie wurde durch Bohdan Pidhany (alias Stiven Kordjuk) geleitet, einem Mitglied der Führung und einer der Gründer der OUN-B. Die Agenten des Netzes, extrem fanatische und gut ausgebildete ukrainische Nationalisten, wurden durch Banderas Führung aus den Einheiten der Division Galizien gewählt, die nach dem Krieg nach Großbritannien gebracht wurden.

In ihren öffentlichen wie verdeckten Aktivitäten arbeiteten diese Organisationen der ukrainischen und anderer osteuropäischen Diasporas eng mit amerikanischen Forschungseinrichtungen zusammen, und viele davon sorgten für die Tarnung der Geheimdiensttätigkeiten. Ihre Namen sind gut bekannt: Freedom House, National Endowment for Democracy, Human Rights Watch.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Unabhängigkeit der Sowjetrepubliken war ein großer Sieg für die Leute und die Organisationen, die von dem Augenblick an, als die UdSSR gebildet wurde, auf dieses Ziel hin gearbeitet hatten. Einige der Einrichtungen verloren ihre Existenzberechtigung, als Kommunismus und Bolschewismus besiegt wurden: die ABN löste sich 1996 auf; die WACL wurde umbenannt in Weltliga für Freiheit und Demokratie und hat ihre Führungsrolle verloren. Andere wurden Teil offizieller Parteien: die Organisation der ukrainischen Nationalisten gestaltete sich um in den Kongress ukrainischer Nationalisten und schloss sich Viktor Juschtschenkos Block Unsere Ukraine an.

Die Erringung der Unabhängigkeit durch die Sowjetrepubliken bedeutete jedoch nicht, dass sie ihr Ziel völlig erreicht hatten. Russische Interessen blieben dort vorherrschend, und ihren neuen Führungen ist es nicht gelungen, ihre Verbindungen zum russischen „Zentrum“ zu kappen, trotz aller Versuche, ihr eigenes Spiel zu spielen. In der nächsten Runde des Kampfes ging es darum, die Loyalität der Führungen der „neuen unabhängigen Staaten“ sicherzustellen, wie die USA sie nannten (die Gemeinschaft unabhängiger Staaten wurde nicht anerkannt) und Russlands Stabilität und Unversehrtheit weiter zu beeinträchtigen.

Andere Organisationen übernahmen die Führung in der Schlacht mit Russland. Sie folgten einem anderen Ansatz.

Kapitel 8

Aus dem Untergrund ans Tageslicht: die Methodologie der Farbrevolutionen

Selbst während des Kalten Krieges erkannte die Gemeinschaft der amerikanischen Militärs und Nachrichtendienstler an, dass ein Kampf mit der Sowjetunion mit militärischen Mitteln nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen würde: Die Ereignisse in Ungarn 1956 und der Prager Frühling 1968 hatten dies bewiesen. Natürlich erzeugten die CIA, WACL, ABN, Freedom House, National Endowment for Democracy und eine ganze Batterie von US-amerikanischen Nicht-Regierungs-Organisationen aktiv Propaganda und führten verdeckte Aktionen durch. Schrittweise wurden Handlungen, die nicht Krieg waren, und „friedliche“ Methoden des „Regimewechsels“ systematisiert. Die Dinge, die zuvor CIA, NATO, die Organisation Gehlen, WACL und ABN getan hatten, wurden nun durch Nicht-Regierungs-Organisationen und Forschungseinrichtungen erledigt. Im September 1991 beschrieb der einflussreiche Kommentator der Washington Post, David Ignatius, diesen faszinierenden Prozess in seinem Artikel „Unschuld im Ausland: die neue Welt der Putsche ohne Spione“.

Verdeckte Operationen um Regierungen zu stören und auszutauschen haben einen großen Nachteil – sie sind von Natur aus heimlich. Wenn die amerikanische Öffentlichkeit von ihnen erfährt – und es ist schwer, im Informationszeitalter Informationen zu verbergen – dann ist Kritik unvermeidlich. Die CIA wird regelmässigen „Säuberungen“ ihrer Reihen unter den wachsamen Augen des Kongresses und einer progressiven Gesellschaft unterzogen- ein hoher Preis für einen gut erledigten Auftrag. Es wurde bald offensichtlich: wenn das Selbe offen getan und als „Förderung von Freiheit und Demokratie“ verkauft wird, dann wird die Öffentlichkeit nicht nur nicht widersprechen, sie wird sogar helfen. Die Offenheit der Handlungen, um Regierungen auszutauschen, gibt ihnen Legitimität.

Strassenaufstände und Protestdemonstrationen mögen spontan aussehen. Aber hinter all dem Chaos auf den Straßen ist eine gut ausgedachte, präzise orchestrierte, systematische Organisation und Methodologie. Wie es Srdja Popovic, eine der Gründerinnen der Jugendorganisation Otpor, feststellte, die eine entscheidende Rolle in der serbischen Revolution spielte: „Es war interessant, zu hören, dass diese ganze Wissenschaft hinter dem steckte, was wir auf die harte Weise lernten.“

Die Methodologie der Farbrevolutionen erwuchs aus der Arbeit einer Person, die der allgemeinen Öffentlichkeit beinahe unbekannt ist und die ein Idol der Mitglieder der Opposition in allen Ländern ist, Gene Sharp. Diese Ikone ist 80 Jahre alt und geht am Stock. Aber im Juni 2007 wurde ihm von Hugo Chavez öffentlich vorgeworfen, Unruhen in Venezuela organisiert zu haben, worauf er mit einem offenen Brief erwiderte, in dem er Chaves riet, sein Buch The Anti-Coup (der Gegenputsch) zu lesen, wenn er sich Sorgen mache, gestürzt zu werden. Im September 2008 veröffentlichte das Wall Street Journal auf der Titelseite einen Artikel über Gene Sharp unter der Überschrift „Amerikanischer Revolutionär: der ruhige Bostoner Gelehrte inspiriert Rebellen rund um die Welt.“ Sharp fand die Inspiration für die Organisation von Aufständen und Putschen… in Mahatma Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit.

Sharps Buch, From Dictatorship to Democracy: a Conceptual Framework for Liberation (deutscher Titel: Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leitfaden für die Befreiung) hat eine Menge Aufmerksamkeit erfahren. Diese 90-seitige Broschüre wurde die Bibel und das Handbuch für Bewegungen gegen die Regierung in Vietnam, Burma, Zimbabwe, Tibet, Iran – wie auch in Serbien, der Ukraine, Georgien und Kirgistan. Dieses Buch wurde in 39 Sprachen übersetzt, von Amhari (von 6 bis 100 Millionen Menschen in Äthiopien gesprochen) bis Farsi und Tibetisch – und natürlich in alle Sprachen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

Gene Sharp, ein Doktor der politischen Wissenschaften, der 30 Jahre auf einer Forschungsstelle der Harvard University verbracht hat, begann, seine Methodologie in den 1960ern zu entwickeln. 1973 veröffentlichte er sein 902-seitiges Grundlagenwerk, Politics of Nonviolent Action (nicht übersetzt). 1983 gründete Gene Sharp die Albert Einstein Institution. Einsteins Name wurde verwandt, weil der große Physiker „das Potential des gewaltfreien Kampfes hoch schätzte“, und in einer UN-Radioansprache 1950 Gandhi „den erleuchtetsten Politiker unserer Zeit“ nannte.

gene sharp

Gene Sharp, Standbild aus dem Dokumentarfilm „Revolution.com.USA. The conquest of the East.“

Sharps theoretische Arbeiten wurden durch spezifische Leitfäden zum Handeln ergänzt. Die Broschüre ‚198 Methods of Nonviolent Action‘ beschreibt eine große Bandbreite von Methoden: öffentliche Reden; Briefe von Opposition oder Unterstützung; Gruppen- oder Massenpetitionen; kreativere Methoden, wie die Organisation von Spottpreisen und Spottwahlen; Schreiben an den Himmel oder auf die Erde; neue Zeichen und Namen, Offizielle „heimsuchen“, Mahnwachen, Demonstrationen, Gebete, Nacktheit als Protest, Hungerstreik, „satayagraphisches“ Fasten, Zerstörung eigenen Besitzes. Der Abschnitt „Die Methoden der gewaltfreien Intervention“ erwähnt jedoch „sich selbst den Elementen aussetzen (Selbstverstümmelung, Ertränken etc.)“, „gewaltlose Invasionen (?)“ und „gewaltlose Luftangriffe (?)“.

Sharp erscheint nicht in der Öffentlichkeit und gewährt selten Interviews. In der Dokumentation „Revolution.com. USA. Die Eroberung des Ostens“ lässt er seine Maske fallen und verrät Details über die Organisation der Revolution in Serbien, die die erste einer Reihe von „Farbrevolutionen“ wurde.

„Die Mitglieder der Opposition in Serbien „erweichten“ absichtlich Militär und Polizei, um sie bei der Repression weniger gewalttätig zu machen, als der Widerstand aktiv wurde. Zwei Jahre ehe Milosevic gestürzt wurde, fingen an, 14-15-jährige Jungs und Mädchen der Polizei von zu Hause Geschenke zu schicken. Verschiedene kleine Dinge – Essen, was immer sie konnten – um ihre Moral und ihre Loyalität zu Milosevic zu schwächen. Und dann wurden, weiss ich, ziemlich ernste Bemühungen unternommen, um in Kontakt mit der Führung der Polizei zu kommen, damit die Polizei die Demonstranten, wenn sie herauskämen, passieren lassen würde.“

Die Mittel zur Errichtung von Sharps Institution wurden durch den Finanzier Peter Ackerman gestellt, der Millionen an der Wall Street verdient hatte. Davor hatte er unter Sharps Anleitung seine Dissertation geschrieben – und dem Professor seine Unterweisung mit Zinsen vergolten. 2002 eröffnete Ackerman seine eigene Organisation in Washington – das Internationale Zentrum für Gewaltlosen Konflikt. Ackerman ist ein Soros im Kleinformat. Sein Beispiel zeigt, wie das amerikanische System Millionäre und Milliardäre erzeugt, die, nachdem sie komfortable Geldbeträge verdient haben, ihre Bemühungen darauf richten, die Welt zu verändern – im Interesse Amerikas, versteht sich.

Das National Endowment for Democracy (NED) ist der Patron und Hauptfinanzier für die „Demokratisierung der Welt“, d.h. für die Veränderung der verfassungsmässigen Ordnung in Ländern, die den Vereinigten Staaten im Weg stehen. Das NED wurde 1982 auf Bitten Präsident Reagans vom Kongress eingerichtet, als Mechanismus, um Mittel unter Organisationen zu verteilen, die in unterschiedlichen Ländern Demokratisierungsprogramme ausführen. Das NED erhält ein jährliches Budget von der Agentur für internationale Entwicklung des State Department. Ein kleiner Teil seiner Mittel – weniger als ein Prozent – kommt aus privaten Quellen, um seinen Status als „Nicht-Regierungs-Organisation“ zu rechtfertigen. Die Aufsicht über das NED im State Department führt unsere alte Freundin Paula Dobriansky, und ihr Ministerialdirektor für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit, Barry Lowenkron, ist direkt dafür verantwortlich.

plakat farbrevolutionen

Eine Liste der Farbrevolutionen. Poster im New Yorker Büro von ‚Freedom House‘. TBD übersetzt sich mit „to be done“ – was getan werden muss

Die Aufgabe des NED ist, laut seiner Webseite, „demokratische Institutionen weltweit durch zivilgesellschaftliche Bemühungen zu stärken“. Diese Aufgabe wird „durch den Glauben“ angetrieben, „dass Freiheit ein universelles menschliches Sehnen ist, dass durch die Entwicklung demokratischer Institutionen, Verfahren und Werte verwirklicht werden kann“, wie es die Gründer der amerikanischen Nation formulierten.

Das NED hat vier Hauptkanäle, durch das Mittel vergeben werden: das Internationale Republikanische Institut und das Nationale Demokratische Institut für internationale Angelegenheiten kümmern sich jeweils um die politischen Initiativen der Republikaner und Demokraten. Das Zentrum für Internationales Privatunternehmertum (CIPE) und das amerikanische Zentrum für internationale Arbeitssolidarität führen wirtschaftsorientierte Projekte durch; das erstere folgt einer liberalen Marktorientierung des republikanischen Stils, und das letztere arbeitet mit sozial orientierten Projekten im Stile der Demokratischen Partei. (A.d.Ü. hier kann man eindeutig das Vorbild wiedererkennen: die deutschen Parteistiftungen).

Als Dachorganisation erleichtert diese Stiftung die Finanzierung hunderter Organisationen enorm, die andernfalls einen schwierigen bürokratischen Prozess zur Erlangung von Regierungsmitteln durchlaufen müssten. Die Stiftung, die für Zwecke des Kalten Krieges eingerichtet wurde, hat seit seinem Ende an Bedeutung und Ausstattung gewonnen: das Internationale Republikanische Institut allein führt zur Zeit Programme in siebzig Ländern durch.

Das NED arbeitet als vielfältige Verrechnungsstelle, um die Infrastruktur der Demokratie zu errichten: es verschafft Mittel; technische Unterstützung; Ausbildungsprogramme; Technologie zur Kommunikation mit den Medien und der Öffentlichkeit; und für ausgewählte politische Gruppen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften, Dissidentenbewegungen, Studentengruppen, Verleger, Zeitungen und andere Medien neueste und beste Ausrüstung. Das NED vergibt seine Mittel entweder direkt an die Empfänger oder durch eine Finanzierungskette, die manchmal so lang ist, dass es schwer fällt, die Regierung als Quelle der Finanzen zu identifizieren.

1996 pries die Führung der konservativen Heritage Foundation das NED überschwenglich als „wertvolle Waffe im internationalen Krieg der Ideen.. indem es die Entwicklung stabilder Demokratien, die in strategisch wichtigen Erdteilen den USA freundlich gesonnen sind, fördert.“ Und zuversichtlich fuhr sie fort: „Die USA können es sich nicht leisten, derart wirkungsvolle Instrumente der Aussenpolitik zu einer Zeit aus der Hand zu geben, da amerikanische Interessen und Werte rund um die Welt fortgesetzten ideologischen Angriffen aus einem weiten Spektrum antidemokratischer Kräfte ausgesetzt sind.“

Sobald der Wind der Veränderung in den 1980ern zu wehen begann, nahm das NED die Unterstützung der Solidarnosz und anderer ähnlicher Parteien in Osteuropa auf. In den 1990ern finanzierte das NED hunderte Projekte in Russland und dem postsowjetischen Raum – sowohl direkt als auch durch dutzende verbundener Organisationen. Gegen Ende der 1990er begann das NED, die Farbrevolutionen zu finanzieren.

Gemeinsam mit der US-Regierung und verbundenen Institutionen, finanzierte der Milliardär George Soros die Förderung der Demokratie in der Welt und insbesondere in Osteuropa. Soros gründete seine erste Stiftung, den Open Society Fonds, 1979. Die durch Aktivitäten des Fonds abgedeckte Fläche wuchs exponentiell: 1984 – Ungarn, 1986 – China (endete 19899, 1987 – die Sowjetunion; 1988 – Polen; 1989 – Tschechoslowakei; 1990 – Bulgarien, Estland, Litauen, Rumänien und Ukraine; 1992 – Albanien, Weissrussland, Bosnien und Herzegowina, Kroatione, Tschechische Republik, Lettland, Mazedonien, Moldawien, Slowakei, Slowenien; 1993 – Kasachstan, Kirgistan, Südafrika; 1994 – Georgien; und 1995 – Haiti. Der bedeutende Einfluss und die Ressourcen von Soros spielten eine wichtige Rolle bei den Vorschriften und der Umsetzung der „Schocktherapie“ in Russland Anfang der 1990er.

Ein Beispiel dafür war der überwältigende Erfolg der Open Society Stiftung Georgien unter der Führung von Alexander Lomaia, einer der Schlüsselfiguren beim Sturz Eduard Schewardnadses. Gemäß seiner offiziellen Biografie trug Lomaia, von 2002 bis 2003 Regionaldirektor für den postsowjetischen Raum der demokratischen Koalition der Soros-Stiftung, „dazu bei, ein Bündnis der jüngst unahbhängigen Staaten zu schaffen, um aktive demokratische Reformen zu fördern.“ Diese nationalen Koalitionen sollten „Druck auf ihre Regierungen ausüben und fordern, dass sie die demokratischen Verpflichtungen erfüllen, die sie mit der Unterzeichnung der Warschauer Erklärung 2002 eingegangen waren.“ Das Projekt hatte ebenfalls das Ziel, „demokratische Werte in die Aussenpolitik dieser Staaten zu integrieren.“ „Die Schaffung eines internationalen Zusammenschlusses der nationalen Bündnisse, die gemeinsam demokratische Reformen in der internationalen Arena durchführen,“ wurde als eine von Lomaias Errungenschaften benannt.

Von 2003 bis 2004, also in der Zeit, als die Rosenrevolution aktiv vorbereitet und durchgeführt wurde, führte Lomaia die Open Society Stiftung in Georgien. In der Regierung Saakaschwili hatte er die Stellung eines Kulturministers inne (2004-2007). Und im November 2007 – als die Vorbereitungen für die bewaffnete Intervention in Südossetien und Abchasien getroffen wurden – verwandelte sich Lomaia übergangslos vom Kulturminister in den Sekretär des nationalen Sicherheitsrats Georgiens.

alexander Lomaia

Alexander Lomaia, Leiter der Operationen von Soros in Georgien, zuvor sein Direktor für den postsowjetischen Raum; danach Sekretär des georgischen Nationalen Sicherheitsrats und Georgiens Botschafter bei der UN. Standbild aus „Revolution.Com.USA“

In der französischen Fernsehdokumentation deutet Eduard Schewardnadse auf ein Foto, das ihn mit George Bush zeigt, und redet hilflos über die Leute, die den Regimewechsel organisierten, der ihn aus dem Amt trieb:

„… junge Leute, von denen viele, da bin ich mir völlig sicher, gekauft waren. Der berüchtigte Soros hat dabei eine große Rolle gespielt. Aus irgendeinem Grund war er daran interessiert, die Führung auszutauschen… Es gab keine Revolution – das war nur ein ordinärer Putschversuch.“

Im Sommer 2008 war Soros damit beschäftigt, seine Aktivitäten in Russland wieder hochzufahren. Open Society suchte einen „Programmkoordinator“, dessen Pflichten „die Verteilung von Miteln in Russland“ umfassen würden, „… Aufsicht über und Verbindung zu nationalen Stiftungen in Zentral- und Osteuropa; die Bewertung von Bewerbungen russischer und anderer nicht-gewinnorientierter Organisationen; und die genaue Überwachung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lage in der Region.“

Inzwischen arbeiteten die Zweige der Soros-Stiftung in Polen, Litauen und der Ukraine aktiv an der Lage in Weissrussland.

Der Westen nutzt meisterhaft die Institution der Nicht-Regierungs-Organisationen, die in Wirklichkeit als verlängerte Arme der Regierung fungieren. Es ist ihre Rolle, jene Funktionen zu erfüllen, die Regierungsagenturen (wie die CIA) nicht erfüllen können, während sei als Intiativen der Zivilgesellschaft und demokratischer Ausdruck des Willens einer interessierten Öffentlichkeit dargestellt werden.

Angesichts der idealistischen Sicht der amerikanischen Bevölkerung und ihrem Wunsch, die Freiheit in die Welt zu tragen und als „Leuchtturm für die freiheitsliebenden Völker der Welt“ zu dienen, ist die „Förderung der Demokratie“ eine höchst erfolgreiche und wirkungsvolle Formel, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten auf der Welt voranzutreiben. So werden mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllt: der Gesellschaft wird der Dienst an hohen Idealen zum Ausgleich für den großzügigen Verbrauch materieller Güter vorgeführt; die enorme Energie der Zivilgesellschaft wurd genutzt, um die Politik durchzusetzen, und möglicher Widerstand gegen die Mittel, die für die Demokratisierung der Welt eingesetzt werden, wird durch die „Rechtfertigung durch das Ziel“ verhindert.

Kapitel 9

Das Endziel: NATO

Auf diese Weise griffen die Vereinigten Staaten vom Dritten Reich die Mission auf, gegen Russland zu kämpfen, und übernahmen die Nazi-Netzwerke, ihre Methoden und ihr Personal. Die Vereinigten Staaten entwickelten aus der osteuropäischen Diaspora ein breites Netz radikal anti-sowjetischer Organisationen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion schaltete die amerikanische Regierung von militärischen Methoden um auf gewaltfreie, zusammengepackt mit der Idee, „Freiheit und Demokratie zu fördern“. Die Vereinigten Staaten ersetzten erfolgreich die Regierungen in Georgien und der Ukraine und bereiten weiter „Regimewechsel“ in den verbliebenen Ländern der GUS vor.

Der Regimewechsel arbeitetet an sich schon zum Vorteil der Vereinigten Staaten. Wo der ehemalige georgische Präsident Eduard Schewardnadse trotz allen Flirtens mit Amerika nicht den Wunsch hegte, einen Krieg mit Russland anzufangen, provozierte ihn der neue Präsident Michail Saakaschwili bei der ersten Gelegenheit. Obwohl Leonid Kutschma nicht bereit war, offen einer anti-russischen Linie zu folgen, hat der neue Präsident Viktor Juschtschenko Georgien vor dem Ossetien-Konflikt und währenddessen mit Waffen ausgestattet selbst wenn es dafür nötig war, sie von aktiven Einheiten in der Ukraine zu nehmen.

Aber nicht einmal das war genug für die amerikanische Gier nach Weltherrschaft und absoluter Sicherheit. Russland wird so lange nicht gut genug eingedämmt sein, bis alle Länder an seinen Grenzen formal in die westlichen Strukturen integriert sind, vor allem in die wichtigste davon – NATO. Das Endziel der Vereinigten Staaten ist nicht erreicht, ehe Russland von einem starken Ring militärischer Verbündeter der USA umschlossen ist, der es jeden Bewegungsspielraums beraubt. All die Staaten um Russland herum in ein militärisches Bündnis zu bekommen, von Finnland bis Zentralasien – das ist das Endziel der Farbrevolutionen.

Obwohl die antirussischen Aktivitäten sich in den 1990ern aus dem klandestinen Bereich hinaus bewegten und unter der Überschrift der Förderung der Demokratie offen fortgesetzt wurden, blieben sie im Kern dennoch ein militärisches Projekt, das durch die CIA und ehemaliges Personal der Nachrichtendienste geleitet wird.

„Eine Menge von dem, was wir heute tun, tat vor 25 Jahren verdeckt die CIA,“ gestand Allen Weinstein 1991 offen. Weinstein war der erste Präsident des NED und in der Folge der Gründer einer Reihe von Organisationen für Frieden und Demokratie: das Zentrum für Demokratie (1984) und das Friedensinstitut der Vereinigten Staaten (1985) in Washington, und das Internationale Institut für Demokratie in Straßburg.

In dem französischen Dokumentarfilm sprach Adrian Karatnitsky, Präsident von Freedom House, der alle Farbrevolutionen mit Geld und Personal unterstützt hatte, über seine Rekruten in Osteuropa und Zentralasien:

„Die CIA hat diese Art Aktivisten in den 50er, 60ern und 70ern geheim kontrolliert. Daher wurden diese Leute zu Werkzeugen der US-Nachrichtendienste. Während diese Tätigkeit in der Vergangenheit verdeckt war, hat heute das Weiße Haus beschlossen, dass die Vereinigten Staaten derartiges jetzt offen und öffentlich tun werden; und unzweifelhaft werden sie es mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen tun.“

Seit der Errichtung des NED 1983 hat es Todesschwadronen in Zentralamerika und in Afrika unterstützt und sie, wie die afghanischen Mudschaheddin, als „Freiheitskämpfer“ dargestellt. Die Wurzeln des NED reichen zurück bis 1967, als die skandalöse Finanzierung von Studenten- und anderen Organisationen in Amerika durch die CIA aufgedeckt wurde. Am 29. März 1967 erteilte das Weiße Haus einen Befehl, der auf den Empfehlungen des Katzenbach-Reports beruhte, der von dem CIA-Direktor Richard Helms, dem Generalstaatsanwalt Katzenbach, und dem Minister für Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt Gardner unterschrieben wurde. Der Befehl beschrieb den Schaden, den das Vertrauen in die Empfänger direkter Zuweisungen der CIA erleiden würde, und empfahl, die Regierung solle „zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Mechanismus zur öffentlichen Förderung ausländischer Organisationen entwickeln und umsetzen, die vom Standpunkt nationalen Interesses öffentliche Unterstützung verdienen.“

„Diese neue Organisation übernimmt die Finanzierung durch die Regierung,“ fuhr die Empfehlung fort. „Sie übernimmt auch die Beteiligung der Beamten. Aber der wichtigste Aspekt sollte die Beteiligung privater Bürger und der Ausdruck privater Meinungen sein, denn um wirksam zu sein, muss die Organisation – in den Augen der öffentlichen Meinung – einen hohen Grad der Unabhängigkeit besitzen.“

Die Leute, die die Errichtung des NED begannen, verwiesen auf die Schlussfolgerungen eines Buches mit dem Titel Developing Democracy, das 1972 veröffentlicht wurde. 1982 veröffentlichte sein Autor, William Douglas, einen Artikel in der Zeitschrift von Freedom House mit dem Titel „Eine Frage der Freiheit“:

„Als die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten es erforderlich machten, freundliche politische Bewegungen im Ausland zu unterstützen, handelten die USA verdeckt – direkt durch die CIA oder durch geheime US-Regierungszuwendungen an so genannte ‚private Gruppen‘ von Studenten, Gewerkschaftern oder Herausgebern. Diese heimlichen Operationen waren ineffektiv und verstießen gegen ethische Normen; sie sind nicht nötig.“

Selbst der ehemalige Chef der CIA, William Colby, rief zu entschiedener Unterstützung in anderen Ländern heimischer politischer Kräfte auf und stellte fest.“ Ein verdeckter Ansatz ist nicht erforderlich. Viele Programme, die in den 1950ern verdeckt durchgeführt wurden, werden heute völlig offen umgesetzt, und daher ohne Kontroversen.“

Der gegenwärtige Aufseher des NED im State Department, der Ministerialrat für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit Barry Lowenkron, der oben bereits erwähnt wurde war bis 2002 mit allem Anderem als solch idealistischen Aufgaben beschäftigt. Er kam von einer Stellung als Sonderberater des CIA-Direktors ins State Department. Davor hatte er als Direktor der Analyseabteilung des Nationalen Nachrichtendienstsrats gedient, war zweimal der Direktor für europäische Sicherheitsfragen im Nationalen Sicherheitsrat (1988-89, 1991-93) und war besonderer Berater des Vorsitzenden der gemeinsamen Stabschefs. Lowenkron begann seine politische Karriere als Nachrichtendienstoffizier in Europa und als Programmentwicklungsmanager bei der US. Information Agency. Offensichtlich verliehen die CIA und der militärische Nachrichtendienst Herrn Lowenkron alle Fähigkeiten und Erfahrungen, die er für seinen Job als Ministerialrat beim State Department benötigte, verantwortlich für „Demokratie, Menschenrechte und Arbeit“.

Kehren wir einen Augenblick zu Professor Sharp zurück. Er ging zurück ins akademische Leben, aber sein Partner in jenem Augenblick, als die Albert Einstein Institution gegründet wurde, war und ist Robert Helvey. Helvey ist sicher kein Akademiker – er ist ein Oberst des Militärgeheimdienstes, der 30 Jahre in der Armee gedient hat, in Vietnam gekämpft hat und als Militärattaché in Burma war. Was Helvey an Sharps Theorie attraktiv fand, war, dass gewaltloser Konflikt „nichts mit Pazifismus zu tun hat.“

Helvey wusste ziemlich gut, wie man eine Armee schwächt und eine Regierung stürzt – in Burma hatte er Guerillas Trainiert und war entsetzt davon, wie wirkungslos ein offener bewaffneter Konflikt mit der Regierung war. Burma wurde zum ersten Testgebiet für Sharps Theorie der gewaltlosen Putsche – 1990 lehrte sie Oberst Helvey den Guerillas im Dschungel.

Robert Helvey

Oberst Robert Helvey in seinem Büro im Albert Einstein Institut. Standbild aus dem Film „Revolution.com.USA“

Sharp und Helvey haben sich auf das „Aufweichen“ von Militär und Polizei spezialisiert. Helvey sagte den französischen Filmemachern:

„Die Idee ist, die Säulen des Systems herauszuziehen und in unser eigenes Lager zu ziehen. Es ist nicht nötig, sie zu zerstören; man muss sie nur bewegen und die Leute glauben machen, dass sie einen Platz in der Zukunft haben, in einer demokratischen Regierung.“

Serge Popovic, der Anführer der serbischen Revolution, traf sich im April 2000 mit Helvey.

„Das Treffen mit Helvey war sehr nützlich für uns, denn er ist ein Mann mit einer Menge Erfahrung. Man nimmt sich Leute in einer Reihe von Strafverfolgungsbehörden, besonders in der Polizei, vor, und schickt ihnen beständig Botschaften, dass alle ein Opfer des Regimes seien, sie und wir,“ sagte Popovic und erklärte, wie es gemacht wurde.

Nachdem Robert Helvey zwei Monate in Serbien verbracht hatte, um seine Erfahrungen zu teilen, war das Regime Milosevic fort.

Aber das deutlichste Beispiel ist das unseres Freundes aus dem ersten Kapitel, Bruce Jackson, der von Präsident Saakaschwili gefragt wurde, ob er etwas Falsches gesagt hätte. Jackson, militärischer Nachrichtendienstoffizier der Reserve, gründete das US.-komitee für die NATO-Erweiterung. Unter den ersten Mitgliedern des Komitees befinden sich Paul Wolfowitz, Richard Perle und Steven Hadley.

Bis 2002 kombinierte Jackson seine Sozialarbeit im Interesse der Weltdemokratie mit seinem Job als Vizepräsident für Strategie und Planung beim größten Rüstungsunternehmen der USA, Lockheed Martin. Als sie über die NATO-Erweiterung und Lockheed Martin schrieben, benutzten die Brüder Anderson eine Abwandlung des berühmten Majakowski-Zitats über Lenin und die Partei:“ Wenn wir Lockheed Martin sagen, meinen wir NATO-Erweiterung; wenn wir NATO-Erweiterung sagen, meinen wir Lockheed Martin.“ Die Integration neuer Länder in die NATO macht die Integration der militärischen Systeme erforderlich – das ist ein Markt im Wert vieler Millionen Dollars für Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Elektronik, Kommunikationssysteme und viele andere Arten militärischen Geräts. Nach dem Haushaltsausschuss des US-Kongresses können die Kosten für den Beitritt mancher Länder zur NATO 125 Milliarden Dollar über 15 Jahre erreichen; davon werden 19 Milliarden in die militärische Integration fließen. Ein gut bekannter Neokonservativer beschrieb Jackson als „den Knotenpunkt zwischen der Rüstungsindustrie und den Neokonservativen. Er übersetzt uns für sie und sie für uns.“

Die neue NATO wird für die Vereinigten Staaten besser sein als das Modell des Kalten Krieges: der regelmäßige Zufluss neuer Mitglieder ermöglicht es, von ihnen einen Tribut an die US-Rüstungsindustrie zu erheben; sie dient als Mittel, um amerikanische Interessen bei der Nutzung der Ressourcen anderer Länder zu schützen, eingeschlossen Naturressourcen wie Öl; und sie erlaubt es, Teile der menschlichen und materiellen Kosten – und natürlich der Verantwortung – auf andere abzuwälzen.

Vor Beginn des Irakkriegs wurde in Vilnius, der lettischen Hauptstadt, eine Erklärung von zehn Regierungen unterzeichnet – jene, die Donald Rumsfeld das „neue Europa“ nannte – in Unterstützung eines Kriegs gegen den Irak ohne ein UN-Mandat. Slowenien hat sich später aus dieser Übereinkunft zurückgezogen, unter Hinweis auf die Tatsache, sein Außenminister habe „unter den Drohungen von Bruch Jackson nachgegeben“.

Es gibt noch einen weiteren faszinierenden Aspekt in der Persönlichkeit von Jackson. Sein Vater, William Jackson, war einer der Gründer der CIA, und von 1050 bis 1951 hatte er die Stellung des stellvertretenden Direktors. Später wurde er Eisenhowers Berater für nationale Sicherheit. Da sage man noch etwas zur Kontinuität über Generationen hinweg!

Die Person Bruce Jacksons verbindet deutlich und beispielhaft militärische Nachrichtendienste, Regierungswechsel durch Farbrevolutionen, NATO-Erweiterung und Rüstungsindustrie – und, um das Bild zu vervollständigen, gibt es das Erbe seines Vaters als Gründer der CIA, die die Färbung des militärischen Nachrichtendienstes des Dritten Reichs und der Nazikollaborateure aus ganz Europa annahm.

Schlussfolgerungen

Neben seiner tödlichen Natur hatte der Angriff Georgiens auf Südossetien eine tiefe historische Bedeutung: das Regime Saakaschwili hat sich den Prinzipien des gegenwärtigen Sicherheitssystem widersetzt, dessen Rückgrat die NATO ist, und hat gezeigt, dass es inadäquat ist. Im Kern sind Saakaschwilis Handlungen zur Gänze Teil der Tradition, die Stezko, Oberländer, Heusinger und Gehlen nährte. Die Verwaltung George Bush ermöglichte es direkt, dass eine solche Tradition in Georgien ans Licht trat, da ein Teil des politischen Establishment der USA Saakaschhwili drängte, Russland anzugreifen. Und es trug indirekt dazu bei, dass nach diesem Beispiel eine Weltordnung errichtet wurde, in der es dem Gesetz entspricht, zu foltern, tausende Gefangene jahrelang ohne Verfahren oder Ermittlungen festzuhalten, internationale Fragen einzig auf das eigene Interesse gerichtet zu lösen und militärische und politische Wagnisse einzugehen, bei denen die Verluste an Menschenleben anderer Nationen völlig ignoriert werden – Irak, Afghanistan oder Südossetien. Diese Herangehensweisen wurden auch vom Naziregime des Dritten Reichs gebraucht.

Die „Förderung der Demokratie“ mit dem Mitteln der Farbrevolutionen hat sich als wirkungsvolleres Mittel erwiesen, um die NATO an Russlands Grenzen zu bringen, als direkte militärische Zusammenstöße bewaffneter Divisionen. Selbst jetzt wird dieses Projekt mit voller Geschwindigkeit in der GUS und in Russland weiter verfolgt. Wie die französischen Fernsehjournalisten gezeigt haben, wurde bereits ein Kalender der neuen Revolutionen geschrieben – ihre Daten und „Farben“ werden jeweils aktuell ergänzt – Weißrussland, Kasachstan, Aserbaidschan, Usbekistan. Sie sind die nächsten in der Reihe.

Weißrussland ist gegenwärtig für die Vereinigten Staaten das wichtigste Glied in der Kette. Vom Standpunkt der amerikanischen Interessen ist dies das einzige klaffende Loch an der Westgrenze Russlands. „Weißrussland muss das Nächste sein. Das ist fair,“ sagte Anatoly Lebedko, der weißrussische Oppositionsführer, der von Giga Bokeria und Bruce Jackson betreut wird. Vermutlich ist Lukaschenko selbst bereits mit dem Westen im Bett. Februar/März 2008 unterzeichnete er einen Vertrag mit dem britischen PR-Guru Tim Bell, auf dessen Kundenliste sich Alexander Litwinenko, Boris Beresowski, Präsident Jelzin, General Pinochet und Margaret Thatcher finden. Seitdem hat Lukaschenko seinen Hauptgegner, Alexander Kosulin, freigelassen, hat sich nicht beeilt, die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien anzuerkennen; verneigt sich regelmäßig vor dem Westen und ist bereit, Geld vom IWF anzunehmen. Der Westen hat seinerseits die Rechtmäßigkeit der weißrussischen Parlamentswahlen anerkannt, Sanktionen Konten und Reisen weißrussischer Funktionäre betreffend aufgehoben, Handelsgespräche wieder aufgenommen und ist bereit, Kredite zu gewähren.

Wenn die Farbrevolutionen Regime an die Macht bringen, die den USA gegenüber loyal sind, dann wird die Eingliederung dieser Länder in die NATO diese Veränderungen institutionalisieren und unumkehrbar machen. Die Eingliederung Georgiens und der Ukraine in die NATO wird eine neue Teilung Europas, ein Abkommen von Jalta ohne Russland.

Dieses Buch hat die Entwicklung des amerikanischen Schemas gegen Russland beschrieben, die während des zweiten Weltkriegs begann. Aber es hat eine lange Geschichte. 1917 begann mit der Gründung der weißen Garden und der Landung britischer und amerikanischer Einheiten im Fernen Osten, in Murmansk und Archangelsk, eine frühere Phase. Aber selbst dies war nur eine weitere Runde im Spiel: im Großen Spiel, das von der Supermacht des 19. Jahrhunderts begonnen wurde, von Großbritannien.

So wurde die Fackel des Kampfes gegen Russland von Hand zu Hand weitergereicht, von einem dominanten Empire zum nächsten, von Großbritannien an die Vereinigten Staaten über Nazideutschland. Denn gleich, wie ein Empire genannt wird, es kann die Welt nicht beherrschen, ohne Russland zu unterwerfen.

Am 4. November 2008 hat Barack Obama die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen. Die Persönlichkeit des neuen Präsidenten hat außergewöhnliche Hoffnungen in der ganzen Welt geweckt, dass die Vereinigten Staaten ihren Kurs ändern werden.

Im Kontext des einzigartigen Schwungs der Geschichte ist es angemessen, zu fragen: wie begründet sind diese Hoffnungen, und was können wir von Präsident Obama erwarten?

Die Antwort auf die erste Frage ist einfach. Die Geschichte der Vereinigten Staaten lässt, wie die Geschichte des jahrhundertealten westlichen Schemas gegen Russland, keinen Grund, auf einen solchen Wechsel zu hoffen. Unglücklicherweise hatte Kipling recht: „Wenn alle tot sind, dann ist das Große Spiel zu Ende. Nicht eher.“ Von Zeit zu Zeit stellen sich einzelne Mitglieder des amerikanischen Establishments gegen den Eintritt der Ukraine und Georgiens in die NATO. Sie sagen das nicht, weil sie plötzlich Verständnis für russische Interessen haben. Sie sagen es, weil der Zeitpunkt falsch ist: es schafft zu viele Komplikationen. Sie können einfach abwarten und neue Mitglieder aufnehmen, die weniger Zwietracht auslösen. Der Kern der Sache ändert sich nicht.

Während des Wahlkampfes wurde Präsident Obama oft mit Präsident Kennedy verglichen. Barack Obama erinnert tatsächlich an Kennedy, was seine Jugend, seine liberalen Ansichten und seinen Mangel an Erfahrung auf dem Feld der Außenpolitik betrifft. Es ist wichtig, die Parallelen nicht zu weit zu ziehen. Denn in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft beging Kennedy einen Fehler, der als einer der größten außenpolitischen Fehlschläge in die Geschichte der Vereinigten Staaten einging – die Landung einer Streitmacht in der Schweinebucht in dem Versuch, Kuba zu erobern. Die militärische Führung präsentierte den Plan einem jungen Präsidenten, der danach strebte, seine Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit zu zeigen. Kennedy sagte später, er hätte die CIA dafür gerne in tausend Stücke zerschlagen.

Man kann gefahrlos sagen, dass es heute in den Vereinigten Staaten genug Leute gibt, die bereit sind, den jungen Präsidenten Obama darin zu unterstützen, die Interessen der USA auf drastische Art zu verfolgen, um Vorwürfe zu vermeiden, er sei unentschlossen und liberal. Die Frage, wie sich Obama selbst in solchen Situationen verhält, bleibt offen.

Heute gehört zur komplexen außenpolitischen Lage der USA – zwei Kriege, Terrorismus, Iran, Pakistan – auch noch eine systemische Wirtschaftskrise, die die soziale Umgebung in näherer Zukunft erschweren wird. Diese Umstände sind ein höchst fruchtbares Gelände für die Entwicklung radikaler Ansätze und Lösungen. Die pessimistischsten Beobachter finden Ähnlichkeiten zwischen dem heutigen Amerika und Deutschland in der Mitte der 1930er. Zu jener Zeit brauchte es den Nazismus und den zweiten Weltkrieg, um das Problem zu lösen.

In diesem Zusammenhang ist es äußerst wichtig, dass Europa die Lektionen der Geschichte nicht vergisst, die für einen hohen Preis gelernt wurden. Das bedeutet, die Welt nicht in zwei Lager zu teilen, die Ausdehnung der NATO aufzuhalten und auf die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und Militärstützpunkten in den neu beigetretenen Ländern zu verzichten.

Die „Erbsünde“ der NATO – die Beteiligung von Nazis an ihrer Gründung – hat die Organisation für immer kompromittiert. Die NATO kann nicht als Grundlage für Sicherheit und Stabilität in Europa und der Welt dienen. Russland muss all seine Bemühungen auf die Errichtung einer neuen Sicherheitsarchitektur im Euro-atlantischen und Eurasischen Raum richten, die einen einzigen Standard für die Lösung von Konflikten und gemeinsame Verhaltensregeln für alle etabliert. Russland kann es sich nicht erlauben, die nächste Runde des Großen Spiels zu verlieren.

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